Tarek Kohler im Gespräch

Du schon wieder

Nach vielen Jahren im Beruf ist es wie nach vielen Jahren in einer Beziehung: Man kennt sich gut, man schätzt sich sehr und man geht sich ein bisschen auf die Nerven – manchmal alles zur gleichen Zeit. Der Lkw-Fahrer Tarek Kohler erzählt, wie er die Routinen auf seinen Routen gestaltet und die Liebe zu seinem Beruf erhält.

Seit ich mich erinnern kann, wollte ich Lkw-Fahrer werden. Ich glaube, ich bin mit dem Lkw-Gen auf die Welt gekommen. Ich komme von einem Bauernhof, Maschinen haben mich schon als kleiner Bub interessiert. Für mich galt damals: groß, größer, noch größer, am besten. Wenn irgendwo ein Lkw vorbei gedonnert ist, dann hab ich immer hinterhergeschaut.

Eigentlich wollte ich eine Lehre zum Berufskraftfahrer machen, das ist in Deutschland ein dreijähriger Ausbildungsberuf. Aus gesundheitlichen Gründen ging das aber leider nicht. Also hab ich eben einfach den Lkw-Führerschein gemacht und mir einen Job gesucht. Mittlerweile bin ich seit zwölf Jahren Lkw-Fahrer, davon die vergangenen sieben Jahre für Gebrüder Weiss. Seit ich im Beruf bin hat sich viel geändert, die Lkw sind automatisiert. Zum Beispiel hat mittlerweile fast jeder neue Lkw einen automatischen Abstandssensor, Spurassistenten und natürlich Automatik – ich habe noch mit einer Schaltung das Fahren gelernt. Oder den Müdigkeitsassistenten, der sich meldet, wenn du lange auf der Autobahn geradeaus fährst: »Du bist müde, bitte kurz eine Pause einlegen!« Das bringt einerseits Vorteile, andererseits hat man nur noch wenig Möglichkeiten, etwas selbst zu entscheiden oder zu reparieren.

Meine Touren beginnen meist früh am Morgen. Da komme ich zwischen 5:30 und 6:30 Uhr in die Firma und melde mich in der Dispo. Dort erhalte ich meinen Auftrag, meistens weiß ich aber schon am Vorabend, was ansteht. Ich -bekomme die Ladeliste, gehe ins Lager und lade den Lkw – wenn er nicht schon vorgeladen ist. Bevor ich schließlich losfahre, mache ich eine Abfahrtskontrolle, überprüfe kurz den Reifendruck mit -einem Hammer, außerdem die Beleuchtung, die Elektrik, die Anschlüsse, die Verbindungen und die Ladung.

Je nach Kunde und je nachdem, welchen Linienverkehr ich fahre, bin ich anschließend neun bis elf Stunden unterwegs – mit Pausen. Wir dürfen sechs Stunden fahren, dann müssen wir eine dreiviertel Stunde Pause machen, danach wieder sechs Stunden Fahrt. Wenn ich also morgens um sechs Uhr anfange, muss ich spätestens um zwölf Uhr Mittagspause machen.

Als ich vor meiner Zeit bei GW noch im Fernverkehr unterwegs war, bin ich am Sonntagmittag gestartet und am Samstagmittag wieder heimgekommen. Dazwischen habe ich jeden Abend auf -einer anderen Raststätte übernachtet. Damit muss man sich abfinden, in die Raststätte gehen, etwas essen, Kaffee trinken – man muss halt irgendwie vom Fahren runterkommen, lesen und dann früh schlafen gehen, um am nächsten Morgen wieder fit zu sein.

Ein Gespräch für den ATLAS ist auch willkommene Abwechslung vom Alltag

Weil ich jetzt Springer bin, fahre ich immer auf unseren eigenen Linien und stets die gleichen Touren. Besonders gerne fahre ich die Nachtlinie, die Begegnung von GW Graz. Dafür geht es von Memmingen nach Salzburg, wo ich meinen Kollegen treffe, der von GW Graz kommt. In Salzburg tauschen wir unsere Wechselaufbauten, genannt WAB, wir »wabben« also komplett um. Dann fährt er mit »meiner« Wechselbrücke nach Graz und ich nach München zu einer Partnerspedition. Dort brücke ich um und fahre zurück nach Memmingen.

Die Abläufe sind an meinen Arbeitstagen deshalb meistens gleich, ich gehe an dieselben Raststätten und kenne die Leute unterwegs. Da entstehen dann nicht unbedingt Freundschaften, aber ich habe schon Kollegen, die ich meist zufällig immer wieder treffe und dann isst man vielleicht was miteinander. Früher war es noch gang und gäbe, dass man sich auf der Straße untereinander gegrüßt hat: Wenn ein Lkw einen anderen überholt hat, hat man ihm per Lichthupe oder zweimaligen Blinken signalisiert, dass er sich vor einem einreihen kann. Das ist heute leider nicht mehr so. Auch das Zusammenspiel zwischen Lkw- und Pkw-Fahrer hat etwas gelitten. Es gibt etliche Pkw-Fahrer, die einen aus dem Auto heraus beschimpfen. Manche reihen sich beim Überholen nur zwei Meter vor meinem Lkw wieder ein. Ich habe aber einen Abstandstempomat, der dann sofort auf die Barrikaden geht und zu bremsen beginnt. Da muss man höllisch aufpassen und sofort vom Gas runter. Aber aufregen hat keinen Wert, da musst du drüberstehen, es ignorieren.

Mit den Kunden ist der Umgang aber meist freundschaftlich, weil ich viele von ihnen kenne. Bei einem Kunden in der Schweiz kommt es sogar vor, dass ich auf den Hof komme und die Kollegen aus dem Lagerbereich gerade grillen. Da heißt es dann ganz selbstverständlich: »Komm setz dich her und iss mit uns, es ist noch genug da.«

Momentan fahre ich die Linie Schweiz und jedes Mal, wenn ich über die Grenze komme, stelle ich meinen Lkw ab und kaufe mir meine Jause – immer bei der Metzgerei Feurstein in Höchst, immer zur gleichen Uhrzeit, so zwischen 11:00 und 11:30 Uhr. Da stiefle ich hinein und bestelle meine zwei Leberkäs-Semmel und werde immer freundlich mit folgendem Satz begrüßt: »Mei, jetzt kommt der Allgäuer wieder.« Das ist schon ein schöner Moment.


Judith Gebhardt-Dörler hat Sozial- und Wirtschaftswissenschaften in Innsbruck studiert und ist bei Gebrüder Weiss als Project Manager Corporate Communications zuständig für Publikationen.

Routinemäßige Kontrolle vor der Abfahrt

Auch der Besuch in der Metzgerei ist für den Lkw-Fahrer Routine
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