Unter Feinden
Berühmte Feinde
Nicht nur mit Freunden teilt man Gemeinsamkeiten, auch Feindschaft setzt eine gewisse Nähe voraus, ähnliche Interessen, ähnliche Bedingungen, ähnliche Bedürfnisse. Von Freund zu Feind ist es daher bisweilen nur ein kleiner Schritt – eine Kränkung, eine Zurückweisung, eine Beleidigung. Und nichts wird mehr, wie es vielleicht hätte sein können.
PRINZESSIN DIANA UND DIE HERZOGIN CAMILLA PARKER-BOWLES
»Wir führen eine Ehe zu dritt «, äußerte Lady Diana einmal, als ihr Bund mit Prinz Charles schon dem Ende nahe war. Die Hochzeit der jungen, schönen Diana und des Kronprinzen verzückt 1981 das ganze Königreich. Diana fliegen die Herzen zu, obwohl – oder gerade weil – sie Schwierigkeiten hat, mit ihrer neuen Rolle klarzukommen, an Bulimie leidet und unter ihrer strengen Schwiegermutter, der Queen. Camilla Parker-Bowles ist von Anfang an Teil der Beziehung zwischen Charles und Diana: Camilla und Charles lernen sich schon zu Beginn der 70er Jahre kennen – und lieben. Kurz vor seiner Hochzeit lässt Charles Camilla angeblich ein Armband schicken, am Tag der Vermählung tauscht Camilla vielsagende Blicke mit dem Bräutigam aus, er trägt auf der Hochzeitsreise Manschetten-Knöpfe mit den Initialien »C & C«, und aus seinem Kalender flattert ein Foto der Geliebten. Begleitet wird die Dreiecksbeziehung stets durch übersteigerte Aufmerksamkeit der Medien. Camilla erträgt das Leid, die ewig Zweite zu sein und von der Presse als spröde und steif beschimpft zu werden, über Jahre hinweg stoisch. Diana, die sich selber in Affären flüchtet, gibt öffentlich die kämpferische Ehefrau. Wie dieser Kampf ausgeht, ist hinlänglich bekannt: Charles und Diana verkünden 1991 ihre Trennung, Camilla lässt sich 1995 von ihrem ersten Mann scheiden, Charles’ und Dianas Scheidung folgt dann 1996. 1997 stirbt Diana, die der Öffentlichkeit als »Königin der Herzen« in Erinnerung bleiben wird, bei einem tragischen Autounfall. Und 2005 heiratet Charles endlich die Frau, die er seit Jahrzehnten liebt.
HEKTOR UND ACHILLES
Endlich stehen sie sich gegenüber. Beide Krieger hatten lange auf diesen Moment gewartet und ihn wohl zugleich gefürchtet. Hektor, der Sohn des Königs von Troja und heldenhafter Verteidiger der eingeschlossenen Stadt, und Achilles, der mächtigste Krieger auf Seiten der Griechen. Achilles hatte sich aus Zorn gegen Agamemnon von den Kämpfen zurückgezogen, hierauf gewannen die Trojaner etliche Schlachten gegen die Griechen. Als dann Patroklos, Achilles’ Cousin und Geliebter, in dessen Rüstung in die Schlacht ging, wurde er von Hektor getötet. Gekränkt in seiner Ehre und rasend vor Trauer und Rachsucht zieht Achilles nun doch selbst ins Feld und schlägt alle Trojaner in die Flucht – außer Hektor. Im Zweikampf gelingt Achilles im entscheidenden Moment ein tödlicher Schlag mit dem Schwert. Hektor stirbt vor den Toren Trojas, und Achilles schleift die Leiche triumphierend drei Runden um die Stadtmauer. Diese Erzählung ist sehr alt, aber Geschichte wiederholt sich ja bekanntlich.
TUPAC SHAKUR UND NOTORIOUS B.I.G.
Zwei Musiker, die eigentlich Freunde hätten sein müssen: beide Anfang der Siebziger in New York geboren, beide ohne Vater aufgewachsen, beide mit einer Vergangenheit als Drogendealer, die sie nach ersten Erfolgen als Rapper hinter sich lassen. Und zunächst freunden sie sich tatsächlich an. Bis Tupac Shakur nach gemeinsamen Aufnahmen mit Notorious B.I.G. und Sean Combs, auch bekannt als Puff Daddy, angeschossen wird und die beiden als Drahtzieher vermutet. Von da an beginnt einer der berühmtesten Beefs der Hiphop-Geschichte: East Coast vs. West Coast, das Plattenlabel Bad Boy Records gegen das Death-Row-Label. Die Rapper dissen sich gegenseitig in ihren Songs. Leider bleibt es nicht bei der verbalen Ausseinandersetzung: 1996 wird Tupac Shakur erschossen, 1997 Notorious B.I.G., vermutlich aus Rache für den Mord an Shakur. Die Musik der beiden Rapper war nach ihrem frühen Tod erfolgreicher denn je.
TONYA HARDING UND NANCY KERRIGAN
Beide galten in den USA Anfang der Neunziger als Nachwuchshoffnungen im Eiskunstlauf: Tonya Harding ist unglaublich athletisch und ehrgeizig, Nancy Kerrigan technisch weniger perfekt, dafür aber anmutig, elegant und daher bald Publikumsliebling. Vielleicht liegt bereits darin die entscheidende Kränkung für Harding. Um sich für Olympia 1994 zu qualifizieren, ist ein erster oder zweiter Platz bei den US-Meisterschaften im selben Jahr nötig. Einen Tag vor dem Wettkampf wird Kerrigan nach dem Training von einem Unbekannten mit einer Eisenstange auf das Knie geschlagen und kann nicht an den entscheidenden Meisterschaften teilnehmen. Harding, die mehrere Misserfolge hinter sich hat, gewinnt und qualifiziert sich für Olympia. Kerrigan aber erholt sich überraschend schnell und nimmt den für sie frei gehaltenen Platz bei den Olympischen Spielen wahr. Beide müssen dort ihr Training zusammen auf dem Eis absolvieren und würdigen sich dabei keines Blickes. Harding landet schließlich mit einer schwachen Vorstellung nur auf Platz acht, Kerrigan aber verpasst die Goldmedaille nur knapp und gewinnt Silber. Es konnte nie nachgewiesen werden, ob Harding in die Pläne für das Attentat, hinter dem ihr Mann stand, eingeweiht war oder ob sie, wie ausgesagt, erst danach informiert wurde. Wenn diese tragische Geschichte ein Märchen wäre, würde sie »Schneewittchen und die Eis-Hexe« heißen.
ENZO FERRARI UND FERRUCCIO LAMBORGHINI
Ferruccio Lamborghini hatte bereits erfolgreich eine Traktorenfirma gegründet, sich an der Produktion von Heizungen und Klimaanlagen versucht und vergeblich bemüht, in das Hubschraubergeschäft einzusteigen, als er sich in den 60er Jahren einen Ferrari für sein privates Fahrvergnügen kaufte. Der Legende nach war Lamborghini mit dem Wagen unzufrieden und wollte – quasi von Chef zu Chef – bei Enzo Ferrari persönlich vorstellig werden, um seine Kritik an Kupplung und Zylinderköpfen des Sportwagens anzubringen. Der »ingegnere«, wie sich Ferrari gerne rufen ließ, führte seine Firma in herrischem Stil, er weigerte sich, »einen Treckerfahrer« – so die Überlieferung – zu empfangen, und nahm die Optimierungshinweise seines zukünftigen Konkurrenten nicht an. Kurz entschlossen engagierte Lamborghini daraufhin die besten Entwickler und Designer und ließ selber einen Sportwagen bauen. Aber nicht irgendeinen: Der Lamborghini Miura mit zwölf Zylindern und Mittelmotoren hinter den Sitzen gilt noch heute als erster Sportwagen der Superlative, die Prominenz stand Schlange, um ein Exemplar zu ergattern. Das feindselige Verhalten Ferraris, auch wenn es vielleicht nur ein geschickt platzierter PR-Gag war, hat Lamborghini auf jeden Fall viele Freunde eingebracht.
Imke Borchers ist Literaturwissenschaftlerin und Redakteurin für den Atlas.