Schneckentempo mal zwei
Wenn Verkehr unter die Erde verlegt werden soll, braucht es Geräte, die das möglich machen. Und so hat ein Team von Studentinnen und Studenten der ETH gerade einen neuartigen Tunnelbohrer entwickelt. Anlass war ein Tunnelbauwettbewerb von Elon Musk.
»Groundhog Alpha« heißt die sieben Meter lange und zweieinhalb Tonnen schwere Maschine, die nicht nur in der Form an einen Wurm erinnert. Entworfen und gebaut wurde der Bohrer von Swissloop Tunneling, einem 40-köpfigen Team von Studierenden der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich und der Hochschule St. Gallen.
Mit dem »Alpha-Murmeltier« trat das Team im Finale des von Elon Musk initiierten Tunnelwettbewerbs Not-a-Boring competition in Las Vegas an – denn »bohren« bedeutet zwar boring, ist aber eben nicht langweilig. Für seine Vision des Hyperloop oder auch des »Loop« – ein Tunnelsystem, in dem elektrische Fahrzeuge Passagiere emissionsfrei an ihr Ziel bringen – muss Tunnelbau noch deutlich schneller, kompakter und automatisierter vonstattengehen. »Schneller als die Schnecke« sollten die Maschinen sein. 400 Teams hatten sich für die Teilnahme beworben, zwölf wurden nach Las Vegas eingeladen, das »Digging Dozen«. Am Ende erhielten nur die Bohrer der ETH Zürich und der TU München tatsächlich eine Starterlaubnis. Die Schweizer gewannen den Wettbewerb in der Kategorie »Innovation und Design« und wurden in der Gesamtwertung Zweite.
Gebrüder Weiss unterstützte das Team der ETH Zürich als Logistikpartner und sponserte den Transport des Bohrers. Per Lkw wurde der Container in Dübendorf bei Zürich abgeholt und in Hamburg aufs Schiff verladen. Von Houston aus reiste das Equipment dann erneut auf der Straße nach Las Vegas.
Bauingenieur Lukas Heller absolviert an der ETH Zürich gerade das letzte Jahr seines Masterstudiums. Er war einer der Ersten, die sich am »Groundhog Alpha«-Projekt beteiligt haben. In dem Jahr, das dem Wettbewerb vorausging, leitete er innerhalb des Teams die Gruppen, die sich mit dem Bohrkopf befassten, mit dem Antrieb, dem Abbau und dem Abtransportsystem des Bodens. »Der Wettbewerb war der Funke, den es gebraucht hat, in diese Richtung zu forschen«, sagt er. »Mittlerweile ist das nicht mehr ganz der einzige Grund, warum unser Projekt existiert. Wir haben nicht nur beim Wettkampf Vollgas gegeben, sondern auch in der Innovation. Ich glaube, wir haben da gut gepunktet.«
»Groundhog Alpha« ist wendiger als herkömmliche Maschinen. Der Bohrkopf wird von einem maßgeschneiderten hydraulischen Hexapodsystem gehalten. Sechs hydraulische Präzisionszylinder, die der Industriepartner Hagenbuch Hydraulic beigesteuert hat, können den Bohrer so in sechs Freiheitsgraden bewegen. Außerdem kann der Bohrer die Tunnelwand quasi herstellen, während er sich kontinuierlich fortbewegt. »Jeder Tunnelbauer träumt davon, dass die Maschine die Wand selber bauen kann. Wir sind da Pioniere«, sagt Heller. »Normalerweise wird das mit vorgefertigten Elementen gelöst, sogenannten Tübbingen, die man irgendwie in den Tunnel hineinbringen muss. Wir hingegen arbeiten mit einem Zwei-Komponenten-Polymer-System. Das Material wird von einem 3-D-Drucker, der in die Maschine integriert ist, auf eine abrollende Glasfaserlamelle appliziert, härtet vor Ort innerhalb kürzester Zeit aus und ist dann gleich belastbar.«
»Wir haben Interessenten unter unseren Sponsoren, die schon konkrete Einsatzmöglichkeiten sehen«, sagt Hellers Kollege Luca Erdmann. Der Betriebswirtschaftsstudent ist Projektleiter bei Swissloop Tunneling und koordiniert die Kooperationen mit Industriepartnern und Sponsoren. »Wir wollen jetzt mal einige Teststrecken bohren und schauen, was möglich ist. Wir können uns vorstellen, dass sich einzelne Elemente wie der 3-D-Druck skalieren und an vorhandene Maschinen anbauen lassen.«
Und man muss nicht warten, bis die gesamte Technik des »Groundhog Alpha« so weit skaliert wurde, dass Elon Musk damit seine vier Meter mächtigen Hyperloop-Röhren bauen kann. Röhrendurchmesser von einem halben Meter, wie sie »Groundhog Alpha« bereits heute bohrt, werden beispielsweise beim Bau von Glasfasernetzen und Kanalisationen benötigt. Meist kommen dabei keine Tunnelbohrmaschinen zum Einsatz, sondern Pressvortriebe. Bei diesem Verfahren werden zehn Meter lange Röhren in den Boden gedrückt. »Unser System bietet im Vergleich dazu echte Vorteile«, sagt Heller. »Wir arbeiten nicht mit geraden 10-Meter-Röhren. Mit unserem flexiblen Bohrkopf können wir sogar engere Kurvenradien fahren.«
Und wie sieht es nun mit der Geschwindigkeit aus? Das, erklärt Heller, hänge von der Größe des Tunnels ab. Die großen Tunnelbohrer, die Straßen- und Eisenbahntunnel bauen, seien besonders langsam. Ihre Vortriebsgeschwindigkeit liege zwischen 0,05 und 0,1 Zentimetern pro Sekunde – und das sei nur der reine Vortrieb, denn die meiste Zeit geht dadurch verloren, dass man diese Maschinen immer wieder anhalten muss, um die Tübbinge einzusetzen. »Der Speed, den wir angepeilt haben, ist um die 0,5 Zentimeter pro Sekunde«, sagt Heller. Und das wäre dann schon doppelt so schnell, wie eine Schnecke kriecht.