Die Olympischen Spiele

Weltweit bewegt

Sackhüpfen, Tauziehen und Seilklettern sind definitiv keine Trendsportarten. Jedenfalls nicht heute. Aber sie waren einmal olympische Disziplinen.

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Dass es heute überhaupt wieder Olympische Spiele gibt, ist dem französischen Pädagogen und begeisterten Griechenland-Fan Baron Pierre de Coubertin zu verdanken. Ende des 19. Jahrhunderts galt die Antike als chic. Das Leben der alten Griechen, befeuert von einem Boom der Archäologie, wurde regelrecht verklärt. Als 1875 deutsche Archäologen die Überreste von Olympia ausgruben, wurde endgültig beschlossen, die Spiele wiederzubeleben.

1912 führte das Internationale Olympische Komitee (IOC) neben den sportlichen die Olympischen Kunstwettbewerbe ein und vergab Medaillen für Architektur, Literatur, Musik, Malerei und Bildhauerei. Der Schwimmer Alfréd Hajós war einer von zwei Olympioniken, die sowohl in sportlichen als auch in künstlerischen Disziplinen Medaillen gewann. 1896 erreichte er über 100 und über 1.200 Meter Freistil Gold, damals wurden die Schwimmwettbewerbe noch im offenen Meer ausgetragen. Hajós hatte im eisigen Wasser mit reichlich Wellengang zu kämpfen und erklärte später, ihn habe mehr Überlebens- als Siegeswille ins Ziel getrieben. Darauf entwarf er für seine Heimatstadt Budapest ein Schwimmstadion, in dem Wettbewerbe ohne Todesangst ausgetragen werden konnten und wurde dafür 1924 mit der Silbermedaille in Architektur ausgezeichnet.

Große künstlerische Impulse gingen von den Olympischen Spielen jedoch nicht aus. Zwar waren die Jurys prominent besetzt, 1924 etwa standen Béla Bartók, Maurice Ravel, Manuel de Falla und Igor Strawinski bereit, musikalische Einreichungen zu beurteilen. Doch von den gerade mal sieben teilnehmenden Werken erschien ihnen keines preiswürdig. Mit dem Niveau der sportlichen Wettbewerbe konnten die künstlerischen nie mithalten, 1948 fanden sie ein letztes Mal statt.

In den Anfangsjahren war die Finanzierung der Wettbewerbe meist knapp kalkuliert, und die Austragungsorte hatten kaum Möglichkeiten, ihre Ausgaben für die Ausrichtung wieder einzuspielen. Noch 1948 versprach der argentinische Präsident Juan Perón, die Spiele in London zu unterstützen, indem jeder Großgrundbesitzer seines Landes ein Olympia-Rind zu spenden habe. Zwar hatte die Stadt Amsterdam 1928 erstmals die Film- und Fotorechte verkauft und ließ nur autorisierte Kameraleute zu. Doch lukrativ wurde das Geschäft mit Olympia erst in den 1960er Jahren, als fast jede Familie einen Fernseher besaß – zumindest für das IOC, und das bis heute: 1,3 Milliarden Euro zahlte der US-Konzern Discovery jüngst, um sich die Übertragungsrechte für die Olympischen Sommer- und Winterspiele von 2018 bis 2024 allein in Europa zu sichern.

Den Sportlern blieb lange verwehrt, was heute selbstverständlich scheint: nämlich mit dem Sport Geld zu verdienen. Die durchaus beabsichtigte Folge war, dass sich vor allem Gutsituierte eine Teilnahme leisten konnten. Athleten aus armen Ländern hatten es besonders schwer, im Brotjob dafür genug zu verdienen. Als das IOC 1981 schließlich die Amateurregel abschaffte, war das ein Zeichen der sozialen Öffnung, das keinesfalls zu früh kam.

Die meisten Wettweberbe unter dem olympischen Feuer sind Dauerbrenner: Fechten, Leichtathletik, Radsport, Schwimmen und Kunstturnen waren bisher jedes Mal vertreten. Einigen Sportarten war nur eine kurze olympische Karriere beschieden. Wettbewerbe in Cricket und Croquet etwa wurden nur einmal ausgetragen. Tauziehen war immerhin von 1900 bis 1920 olympische Disziplin. Das Reglement lässt einen moderaten Wandel zu, um die Sporttrends der Zeit aufzunehmen – beziehungsweise die Spiele setzen Trends: Dass Beachvolleyball bei den Spielen von Atlanta 1996 zur olympischen Sportart wurde, verdanken die Fans dem amerikanischen Fernsehsender NBC. Der drohte nämlich ansonsten mit einer Kürzung seiner Lizenzzahlungen. Der Sender besaß bereits die amerikanischen Übertragungsrechte für Beachvolleyball und wollte den Sport durch die olympischen Spiele noch populärer machen.

2020 in Tokyo kommen mit Baseball/Softball, Karate, Sportklettern, Skateboard und Surfen gleich fünf neue Sportarten hinzu. Ausgedient haben hingegen die Ringer: Ihre Disziplin, ein Klassiker der olympischen Wettbewerbe, ist in Tokyo nicht mehr vertreten.


Martin Kaluza ist Journalist in Berlin.

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