Chicago-Reportage

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2018

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Rainer Groothuis

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Rainer Groothuis

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Reportage
Amerika

»A little suburban town about 30 miles northwest of Chicago« – so das Santa Fe Magazine 1952 über Des Plaines. Hier – an diesem Ort, inzwischen eine Stadt mit 58.000 Einwohnern – ist es also angesiedelt, das neue Headquarter von Gebrüder Weiss in den USA.

Im Juli 2017 verkündete der Logistiker die Gründung seiner eigenen Landesorganisation in Nordamerika, Standorte in Atlanta, Boston, Dallas, Los Angeles und New York wurden seitdem eröffnet, weitere sind in Planung. Im Herbst 2017 feierte Gebrüder Weiss die große Eröffnungsparty des Headquarters, zu der alle US-Mitarbeiter des Unternehmens eingeflogen wurden. Noch heute wird gern darüber gesprochen, wie intensiv Heinz Senger-Weiss diesen Prozess begleitet hat, sind die Mitarbeiter dankbar, dass er auch extra zur Eröffnung herüberkam – ungewöhnlich für Unternehmenskulturen in den Staaten.

Das Unternehmen bietet seine in 500 Jahren gesammelten Erfahrungen in Transport und Logistik nun auch im drittgrößten Land der Welt und seinen Märkten an. Luft- und Seefracht, spezifische Logistiklösungen wie Warenlagerung, Distribution, E-Commerce-Solutions, Webshop-Systeme und vieles mehr: »Wir sind ein globales Netzwerk mit großen Expertisen in regionalen Märkten, unabhängig, kraftvoll präsent, wir sind ein exzellenter Service-Logistiker«, sagt Landesleiter Mark McCullough.

Schottischer Abstammung, aufgewachsen in einem 2.300-Seelen-Kaff im amerikanischen Somewhere, brach er früh von zu Hause auf, ging mit 20 nach Kapstadt, von dort mit 23 nach Chicago in die Logistik. Mark ist ein Typ im besten Sinne, seine Stimme und sein Lachen dröhnen wie John Wayne, Humor und Verschmitztheit erinnern an Jack Lemmon – er ist die menschgewordene Motivation, ein Mitnehmer, der für jeden ein gutes Wort, eine nachfassende Frage bereit hat. Sein Umgang ist gewitzt, raubeinig, temperamentvoll, menschenfreundlich. Aber die Leistung muss stimmen in dieser Mischung aus zugewandter Mitarbeiterführung und der Entschlossenheit, die Landesorganisation zum Erfolg zu steuern.

Erfolg, Freundschaft, Partnerschaft
Denn Erfolg soll sein, und er beruht auf dem Engagement eines jeden Einzelnen. Obwohl die Frauen und Männer aus fast zwanzig Nationen erst in der letzten Juliwoche 2017 in diesem Team zusammenkamen, fügen sich ihre individuellen Ecken und Kanten zusammen: Der gemeinsame Spirit motiviert. Es wird viel gelacht, dies Team hat Freude an seiner Arbeit. Ungewöhnlich für die USA, dass ein Unternehmen so langfristig denkt und handelt wie Gebrüder Weiss, nicht in Jahren plant, sondern in Dekaden, dass nicht die nächste Bilanz ausschlaggebend ist, sondern das Schaffen von Substanz. Das fördert Vertrauen. Die Kolleginnen und Kollegen schätzen das und freuen sich über diese vom Unternehmen gebotene Sicherheit. Denn langfristige Loyalität ist in amerikanischen Arbeitsverhältnissen eher selten, man trennt sich schnell, die normale Kündigungsfrist beträgt zwei Wochen. Viele Menschen arbeiten in der Sorge, austauschbar zu sein. Das ist hier traditionell sehr anders.

Auch wenn die Kunden in den USA prompter und herausfordernder sind als die europäischen – Mark sieht große Chancen: »Wir wollen langfristge Beziehungen zu unseren Kunden und Partnern aufbauen«, lautet sein Plan. Die individuelle Qualität der Leistungen ist neu in diesem Staat, dessen Bruttoinlandsprodukt mit rund 19.400 Milliarden US-Dollar immer noch das größte auf dem Globus ist.

Zucken seine Mundwinkel, lacht sie schon, sie verstehen sich mit Blicken: Zu Mark gehört Daniela Wurm-Hendricks, die beiden sind das »dreamcouple of Gebrüder Weiss US«. Sie kennen sich seit 1996, als sie die erste Mitarbeiterin des Unternehmens in den USA überhaupt wurde. Nach kurzer Unterbrechung arbeiten sie schon lange wieder zusammen, bauen jetzt gemeinsam an der neuen Aufgabe. Sie ist Marks »workwife«, wie er lachend sagt, sie kommt aus dem Burgenland, ist ein »reines Gebrüder Weiss-Gewächs«. Nur wenige kennen den US-amerikanischen Markt so gut wie die »mother of the company«. »Natürlich verstehen wir uns als Neustart«, sagt sie. »Jetzt arbeiten wir ausschließlich mit den firmeneigenen Strukturen und -abläufen, für mich ist das fast wie eine zweite Geburt.« Gebrüder Weiss in den USA? Ein Startup mit zwanzigjähriger Markterfahrung.

Die zierliche Mun aus Korea strahlt das Selbstbewusstsein eines Menschen aus, der in seinen Job geradezu verliebt ist, sich in ihm und seinen Bedingungen gefunden hat. Optimismus könnte kaum mehr leuchten: »Gebrüder Weiss gibt uns die Gelegenheit, selbst Neues zu versuchen, voranzubringen, zu entscheiden – hier ist Platz zu wachsen.« Überzeugt vom Management und den Kolleginnen und Kollegen, ist sie stolz auf die Selbstverantwortung, ihre Spielräume und Entscheidungsfreiheiten. »Wir sind Partnerschaft nach innen und außen, den Kunden und den Mitarbeitern gegenüber.«

Craig Daniel, der Chef des Warehouse ist Neckereien mit seinem Namen gewohnt – so fit wie James Bond ist der Mann allemal: Er macht Ninja-Training und nimmt an Ninja-Wettbewerben teil, er fährt Rad und schwimmt, geht fünfmal in der Woche zum Sport. Dazwischen turnt er ab und an am Hochregal. »I’m a fitness fanatic « – man sieht es. Er findet so die Balance für seine Arbeit, sagt er. »Wo du arbeitest, bist du ein Stück zu Hause. Die Kollegen sind für mich wie eine Familie, und gemeinsam schaffen wir hier eine positive Umgebung für jeden.«

Now you’re entering …
Ab 1835 besiedelten erste Einwanderer die Gegend um Des Plaines, unter ihnen viele Deutsche, die sich als Farmer niederließen und das Land mit Gemüse- und Obstanbau fruchtbar machten. Nachdem 1860 eine Eisenbahnstation gebaut worden war, entwickelte sich die Ansiedlung zu einem Knotenpunkt und wurde 1873 als Des Plaines gegründet. Wie so oft in den Staaten gibt es kein historisches Zentrum, das durch eine Kirche und einen Marktplatz gekennzeichnet ist. Der Ort ist eine Kleinstadt, wie wir sie aus Western kennen oder aus Filmen mit Doris Day: Man ahnt, wie sie sich entlang der Eisenbahngleise entwickelte, die mit dem Des Plaines River die Koordinaten der Stadt bilden, wie Zug um Zug die Straßen und Viertel hinter dem zentralen Gleis entstanden.

Der Bahnhof ist so frisch wie das Civic Center und die Mittelschule, die Straßen und Bürgersteige sind breit und sauber: Des Plaines prosperiert, profitiert von seiner Nähe zur Boomtown. In den Wohnvierteln findest du No Soliciting!-Aufkleber an vielen Türen und Fenstern, skeptische Blicke treffen den Fremden aus vorbeifahrenden SUVs und Pick-ups: Man achtet darauf, wer hier herumläuft, Schilder warnen vor einer schlagkräftigen Nachbarschaftswehr; viele der Häuser werden zudem von privaten Security-Diensten kontrolliert. Im alltäglichen Leben zeigt sich, wie wichtig Amerikanern Sicherheit ist. So ist ein Smalltalk freundlich bis herzlich, aber über Religion, Politik, Privates, Probleme spricht man eher nicht. Schließlich ist der Fremde eine unbekannte Größe.

Diese Sehnsucht nach Sicherheit bedienen die vielen Werbespots in den TV-Sendern, welche Security-Dienste, Versicherungen, medizinische Gesundheits- und Heilangebote preisen. Alle paar Minuten wird Sicherheit für dich und die Deinen versprochen, mit klassischen Werbebildern von einer glücklichen Kleinfamilie, Teil einer strebsamen gesellschaftlichen Mitte. Alle Clips sind multi-ethnisch, die imaginierte Mitte ist inzwischen nicht mehr nur eine weiße.

Des Plaines ist eine kleine Zeitreise. Schwer ist es nicht, sich andere Häuser und Autos, die Menschen in anderer Kleidung vorzustellen. Schnell bist du sechzig, siebzig Jahre zurück. James Dean und Muddy Waters waren gestern hier – im Choo-Choo ist die Zeit stehengeblieben, und die Betreiber sind stolz darauf: »You are now entering the Choo-Choo-Diner, where 1953 is the year and common etiquette and manners are expected«, steht an seiner Tür. Hier werden anständige Umgangsformen angemahnt. Das Choo-Choo ist der Treff für die Nachbarschaft und ein stadtbekannter Ort für Kindergeburtstage: Über den langen Tresen fährt ratternd ein Zug, dessen Waggons in der Küche mit den bestellten homemade Burgers und French Fries beladen werden. Rose arbeitet seit sechs Jahren im Choo-Choo. Sie ist zwar gern hier und liebt die kleinen Gäste des Diner – lebt aber doch lieber in Chicago, das sie in nur 30 Minuten mit der Bahn erreicht.

Des Plaines: Das zentrale Gleis
Das Choo-Choo-Diner.

Windy City
Die Nähe zu Chicago erklärt die Ansiedlung des Gebrüder Weiss-Headquarters in Des Plaines: Der Großflughafen O’Hare ist nur wenige Minuten entfernt, Chicago der größte Eisenbahnknoten, seine Union Station der größte Bahnhof der USA. Die Highways sind ausgebaut, die legendäre Route 66 beginnt hier. Über Kanäle, Flüsse und Seen ist die Stadt mit dem Atlantik verbunden – gute Voraussetzungen, um jedwede logistische Aufgabe mit dem gesamten Besteck von Luft-, Straßen- und Seetransport zu lösen.

In den 1770er Jahren errichtete Jean Baptiste Point du Sable – sein Vater war Kaufmann aus Quebec, seine Mutter schwarze Sklavin – einen Handelsposten am Tauschplatz der ortsansässigen indigenen Stämme, die ihre Region »Checagou« nannten. Durch die günstige Lage an den Wasserwegen von Michigansee und Chicago River bekam der Handelsposten schnell Bedeutung. Als Illinois dann 1818 den Vereinigten Staaten beitrat und besser erschlossen werden sollte, wurde eine Ost-West-Eisenbahnstrecke gebaut und Chicago damit das »Tor zum Westen« – wichtigster Marktplatz für Rohstoffe und Produkte weit und breit. Holz kam mit Schiffen aus dem Norden, Bauern brachten Lebensmittel auf die Märkte, Werkzeuge und sonstige Materialien kamen aus dem Osten, alles wurde vor Ort verkauft oder mit der Bahn weitertransportiert. So entstand ein Dorf, im August 1833 offiziell gegründet, nur vier Jahre später wurde aus dem Dorf eine Stadt – und die explodierte von 4.200 (1833) auf 500.000 Einwohner (1880), schon 1890 war die Millionenschwelle überschritten.

In der Metropolregion leben heute rund zehn Millionen Menschen, Chicago ist die größte Stadt des Bundesstaates Illinois (des Land of Lincoln; Claim: Illinois – Are you up for amazing?). Illinois geht es gut, es produziert eine Wirtschaftsleistung, die der der Niederlande entspricht, das Pro-Kopf-Einkommen liegt bei rund 66.000 US-Dollar. Chicago ist die starke Schulter, an die der Bundesstaat sich lehnt. Windy City ist Standort weiterer Superlative: Die größte öffentliche Bibliothek der Welt findet sich hier, 1885 wurde der erste Wolkenkratzer hier gebaut (und nicht in New York), die Stadt ist die drittgrößte der USA und Standort vieler nationaler und internationaler Unternehmen. Nicht umsonst werden mit 24 Städten weltweit Partnerschaften gepflegt. Aber auch auf dunkler Seite ist man vorn: Chicago hat die höchste Rate von Gewaltkriminalität in den Staaten, landesweit werden hier die meisten Morde begangen. Al Capone und John Dillinger wüteten in dieser Stadt – Kriminalität hat Tradition, mit der Findige ein Geschäft betreiben: Touristen können auf den Fährten des Verbrechens thematische Stadtrundfahrten unternehmen.

Auch die größten Schlachthäuser der Welt waren in Chicago angesiedelt, über deren unmenschliche Arbeitsbedingungen Upton Sinclair seinen Roman Der Dschungel schrieb, in denen Bertolt Brecht seine Heilige Johanna der Schlachthöfe ansiedelte. Von ihnen wurden die gesamten USA mit Frischfleisch versorgt. Doch diese Schlachthöfe sind heute ebenso verschwunden wie viele andere produzierende Betriebe. Chicago gehört zum Rust Belt, dem »Rostigen Gürtel«, der ältesten und größten Industrieregion der USA, die sich entlang der Großen Seen im Nordosten von Chicago über Detroit, Cleveland, Cincinnati und Pittsburgh bis zu den Ausläufern von Boston, Washington D. C. und New York erstreckt. Dieser Gürtel, in dem die Schwerindustrie ansässig war, Eisen, Kohle, Stahl verarbeitet wurden, hat unzählige seiner Arbeitsplätze verloren. Und sosehr Chicagos Downtown boomt, in der auch die Finanzwirtschaft sitzt, so arm ist der Süden der Stadt. Bezirke, die ehemals voller kleinerer Industrie- und Handwerksbetriebe waren, wirken wie Geisterstädte – der böige Wind vom Lake Michigan fegt durch zerborstene Scheiben und Fensterhöhlen.

Der Navy Pier ist ein ausgedienter Fracht- und Militärkai – mit inzwischen neun Millionen Besuchern jährlich Chicagos größter Anziehungspunkt.

Gestern für morgen
Ende Januar. Wie in den USA seit 1790 üblich, schaut auch 2018 der Präsident auf sein Land und hinaus in die Welt: In der State of the Union geht es um die eigenen Leistungen im vergangenen Jahr, um Ausblicke auf das kommende, um Herausforderungen und Chancen, Potenziale und Projekte, Anspruch und bedingt: Wirklichkeit. Diese Regierungserklärung dauert rund eine Stunde und wird von allen großen Fernsehsendern live übertragen – unterbrochen von der Zustimmung der republikanischen Mitglieder des Kongresses, die alle paar Sätze zum Klatschen aufstehen.

Der Präsident spricht von den Kämpfen der »Frontier«- Zeit, vom Großen Zug nach Westen, von der Kraft dieser Nation: »If there’s a mountain, we climb it – everyone. Together we are stronger than anyone.« Er beschwört Gemeinschaft: »One people and one American familiy«, ruft er, und seine Anhänger sind begeistert. Und das Ideal von Selbstverantwortung, die belohnt wird: »If you work hard and believe in yourself, you can be anything«, sagt er. Und am Ende, natürlich: »God bless America.« Er bringt die Geschichte zum Klingen.

Denn wer einst nach Westen zog, suchte für sich und seine Familie eine neue Heimat, eine Heimat, die Frieden und Freiheit, Arbeit und Einkommen versprach. Den Schutz vor den Gewalten der Natur und den Ureinwohnern gab es nur in einer größeren Gruppe, dem Treck. Und das Grundprinzip lebt fort, beispielsweise in den beliebtesten Sportarten: Jeder Spieler kämpft hart für sich, die Kampfkraft der Einzelnen summiert sich im eigenen Team gegen ein anderes, den Feind.

Das Cadillac Palace Theatre – eine von 200 Spielstätten in der Stadt.

In jenen Jahren des 19. Jahrhunderts wurde der weltweit lockende American Dream geboren. Auch wenn die Erfahrung vieler Amerikaner, gerade unter den Zuwanderern der letzten Jahre, eine andere ist: Die Idee von einem sozialen Aufstieg in Sicherheit, der harte Arbeit belohnt, ist ein wuchtiger Antrieb.

Auf diese und andere tief im Gedächtnis der Nation verankerten Ideen, Versprechungen, Erfahrungen bezieht sich der Präsident 2018. Und trifft die Gefühle jener, die verloren sind in den Weiten einer Globalisierung, die ihnen ihre Jobs genommen hat – vor allem aber das Gefühl gibt, in der Kultur des eigenen Landes fremd zu sein, nicht mehr dazuzugehören. In den letzten vierzig, fünfzig Jahren haben zahlreiche Minderheiten politische Mehrheiten für ihre Anliegen gefunden, hat sich die Kultur des Landes deshalb massiv verändert. Die über Generationen weitergegebenen Vorstellungen von Ehe, Familie und Religion sind tief erschüttert.

Man kann sich verloren fühlen, wenn entgegen der eigenen verwurzelten Wertvorstellungen und Moral sich die Geschlechterrollen verändern und Männer und Männer, Frauen und Frauen händchenhaltend durch Straßen gehen, »Stärke« eine neue Bedeutung bekommt, die Kleinfamilie als Lebensideal in Frage steht. Wer von dem alten Erziehungsziel Be kind, be useful, be respectful überzeugt ist, kann zumeist mit dem Laisser-faire der anderen nichts anfangen. Aus Gefühlen ist eine politische Haltung geworden, die einer liberaleren Weltsicht unversöhnlich gegenübersteht.

Dieser Präsident verheißt eine Zukunft, die von den Werten der Vergangenheit getrieben werden soll. Und seine Anhänger, die sich als die »wahren Amerikaner« sehen, wollen genau das. Wir Europäer haben allerdings wenig Grund, mit schulmeisterlichem Zeigefinger auf diese USA zu zeigen: Die Parallelen zu den Entwicklungen in verschiedenen Ländern der »Alten Welt« sind offensichtlich.

Seit 1966 antwortet ein Vertreter der aktuellen Opposition auf die State of the Union des Präsidenten. Er hat nur sechzig Minuten Zeit, seine Rückhand vorzubereiten, dann gehen die Sender live an den Austragungsort der Replik. Dieses Jahr antwortet Joseph P. Kennedy III, Großneffe von JFK und Enkel von Robert Kennedy, für die Demokraten auf die (Selbst-) Darstellungen des Präsidenten. Der Mann ist jung, 1980 erst geboren, seit 2012 schon im Repräsentantenhaus, er verzichtet auf Jackett und staatstragende Gesten, schlicht spricht er von einer Nation in Freiheit, von ihrer Selbstverpflichtung zur Offenheit, verspricht Sicherheit für Einwanderer und »Dreamer «. Dieser Kennedy ist das Gegenteil des Präsidenten – man ist gespannt, wie sich diese Polaritäten auswirken, sollten sie bei der nächsten Wahl aufeinandertreffen.

Nach der Antwort der Opposition kannst du vor dem Fernseher sitzen bleiben und auf die Umfragen warten, die schon dreißig Minuten später über die Bildschirme laufen: Wer hat sich besser verkauft? Der Junge, der international nahezu unbekannt ist, bekommt ordentliche Noten und Anerkennung, aber der Präsident macht in den Augen seiner Anhänger seinen Job gut – er erhält überwiegend Zustimmung zu seinen Themen und Schwerpunkten.

Dieses Land ist gespalten – die Risse öffnen sich zwischen der Sehnsucht nach Stabilität in Tradition und Geschichte hier und einem kosmopolitischen Weltbild dort.

In Downtown Chicago, »The Loop«.

Let’s go, let’s do
Auf dem Weg zurück ins Headquarter komme ich in der Elmhurst Road an Mobile Homes vorbei, einfach gebaute Häuser mit vorgesetzten Veranden und Balkonen, Zwitter aus Lauben und Wohnmobilen. Vor jedem stehen zwei bis drei Autos, an vielen weht die US-Flagge. Auch hier: Eine private Security fährt Streife, Hunde bellen, wenn du dich ungebührlich näherst. Irgendwann vor vielen Jahren wurden diese Mobiles von Tiefladern an ihrem heutigen Platz abgesetzt. Mobilität ist Teil des American Dream – nicht nur in Betty Blue lebt der Wunsch, weiterziehen zu können, wenn man es will.

Im Headquarter treffe ich Dalibor Kajmakoski, der tatsächlich in der Greencard-Lotterie gewonnen hat und vor einem Jahr mit Frau und Kindern, Sack und Pack eingewandert ist. Vorher bei Gebrüder Weiss in Österreich, verstärkt er jetzt als Business Development Manager das Headquarter, macht aus ersten Aufträgen weitere und wirbt neue Kunden. Was die Firma für ihn besonders macht? »Die großen Ressourcen, das einmalige Know-How, das Familiäre des Unternehmens, dessen Unabhängigkeit und die Loyalität zu den Mitarbeitern berufsbegleitend. natürlich«, sagt er spontan und ergänzt: »In den Staaten spielt das Familiäre eine große Rolle. Das ist ein Big Point für Gebrüder Weiss, der uns vielleicht nicht gerade zu einem Unikat, aber doch sehr besonders macht.« Auf die Frage, ob die Politik in Washington Auswirkungen auf die Entwicklung des Geschäfts hat, sagt er: »Wenn Unternehmen in die USA zurückkommen und ihre Waren hier produzieren, wirkt sich das aus im Export, aber natürlich auch auf unsere Potenziale bei Warehousing und anderen Angeboten.« So hat auch das, wie so manches, mehr als zwei Seiten.

Schließlich begegnet mir Theodore Gensch, für alle nur »Ted« – sein Urgroßvater kam aus dem Süden Deutschlands, die Großeltern mütterlicherseits aus Mexico, er hat morgen 6-jährigen Firmen-Geburtstag. »Really a long time«, meint er schmunzelnd. Er ist National Compliance and Risk Manager für alle Bereiche. Dass sich Ted privat sehr für Geschichte interessiert, passt gut in dieses Unternehmen, das seine Wurzeln im Europa des 16. Jahrhundert hat: Immer wieder löst diese lange Historie bei amerikanischen Kunden Erstaunen und weiterführende Neugier aus, berichtet er. Wenn die erste Aufbauphase gelungen ist, wird Ted wieder an die Uni gehen und seinen Master in Law machen. Natürlich berufsbegleitend.


Rainer Groothuis, geboren 1959 in Emden / Ostfriesland, ist Gesellschafter der Kommunikationsagentur Groothuis.

Dalibor Kajmakoski. »Die Verfügbarkeit von Waren wird immer lokaler und immer schneller. Das fordert den Handel, eigene Logistikhäuser aufzubauen, weshalb Warehousing und Supply-Chain-Management gute Chancen bieten, zumal wir hier über sehr großes Know-How verfügen.«

Theodore Gensch

Das Team Chicago. Aus Guatemala, Polen, Deutschland, Mazedonien, Australien, aus Bulgarien, Litauen, Irland, China, von den Philippinen und von anderswo stammend: In seiner Internationalität spiegelt dieses Gebrüder Weiss-Team auch Geschichte und Kultur des Landes, das aus der Stärke der Vielfalt entstanden ist. Menschen, die irgendwann einwanderten, mögen sie nun die ersten einer Familie oder Abkömmlinge zahlreicher Generationen sein. Sind sie erst einmal angekommen, verstehen sie sich als zugehörig, als Einwohner des »Land of the Free, Home of the Brave«, wie es in der amerikanischen Nationalhymne heißt. Und machen sich daran, ihren American Dream zu verwirklichen.
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