Hermann Höglinger im Gespräch
Drei Tage hin, drei Tage zurück
Hermann Höglinger ist seit 1994 bei Gebrüder Weiss Passau. Der Österreicher ist Vater von drei Kindern und ab Mai in diesem Jahr von drei Enkelkindern. In seinem Berufsleben ist er mit dem Lkw insgesamt deutlich über 5 Millionen Kilometer gefahren. Seit fast zehn Jahren läuft er auch über weite Distanzen, an die 2.000 Kilometer jährlich.
Was war die längste Strecke, die Du jemals an einem Stück gefahren bist?
An einem Stück? Das war auf jeden Fall ein Hilfstransport mit Lebensmittelspenden im Auftrag des Roten Kreuz. Das ist jetzt genau 30 Jahre her. Wir sind damals im Konvoi mit mehreren Lkw von Passau nach Sagorsk gefahren, dem heutigen Sergijew Possad. Das ist eine Großstadt nordöstlich von Moskau, rund 2.500 Kilometer von Passau entfernt. Insgesamt waren wir dafür zehn Tage auf Tour, drei Tage hin, drei Tage zurück und drei Tage vor Ort, um die Spendenpakete zu verteilen.
Woran denkst du, wenn du dich an diese Tour erinnerst?
Vor allem an die Armut der Leute, das war damals eine besondere Situation. Wir haben auf dem Land Menschen gesehen, die fast gar nichts hatten. Zur Ausgabe der Spenden kamen teilweise ganz alte Leute, die auf dem Schlitten die Lebensmittel nach Hause gezogen haben. Es war kurz vor dem russischen Weihnachtsfest und wir hatten ein Gefühl, als würden wir wirklich Geschenke bringen.
Das heißt, es war nicht nur wegen der Entfernung eine ganz besondere Tour.
Naja, sicher. So etwas macht man nicht alle Tage. Wir haben für den guten Zweck eine Gemeinschaft gebildet und uns auf den langen Weg gemacht, das war schon ein echtes Erlebnis. Damals hatte man noch CB-Funk und so konnten wir Fahrer uns den ganzen Tag miteinander unterhalten. Auch was die Infrastruktur unterwegs betrifft, war die Fahrt ein echter Kontrast zu meinem normalen Berufsalltag. Du kommst nach Polen rein und dann nach Russland und es ist alles ganz anders. Es gab zum Beispiel kaum Schneepflüge, um die Straßen zu räumen. Das ist dann ein ganz anderes Fahren. Es war allerdings auch viel weniger Verkehr und die Autobahnen unterwegs waren leer. Ungewöhnlich war auch die spartanische Beschilderung an den Straßen. Bei uns in Deutschland ist ja überall ein Schilderwald und ab Polen war dann plötzlich nur noch das Nötigste ausgeschildert – aber das funktionierte auch!
Hast du unterwegs ein bisschen was von Land und Leuten mitbekommen?
Ja, die Landschaft ist auf der Strecke schon speziell, man sieht einfach hunderte Kilometer kaum etwas, nur Autobahn. Wir waren kurz nach dem Zerfall der Sowjetunion unterwegs. Hinter der russischen Grenze war dann an einer Stelle plötzlich ganz viel Qualm, ich dachte, da brennt es auf der Fahrbahn! Beim Näherkommen haben wir gesehen, dass direkt neben der Straße ein Lkw-Reifen angezündet wurde und ungefähr 50 Menschen drum herum standen, die sich am Feuer die Hände gewärmt haben. Die haben da Pause gemacht und den Reifen nur für ein bisschen Wärme verheizt. Außerdem waren auf der Fahrt Getränke wirklich Mangelware. Abends war zwar immer der Tisch für uns gedeckt und es wurde ein großer Krug mit Saft gereicht. Ansonsten gab es für jeden noch eine Flasche Wodka und das war’s. Das war da ganz normal. Der Saft war immer schnell weg, der Wodka ist übrig geblieben. Warmes Essen gab es auch nicht, nur einmal, als wir in einem Kloster in Sagorsk eingeladen waren, da hat man uns eine heiße Suppe angeboten. Aber sonst war das Essen höchstens lauwarm, so ist das in Russland eben üblich gewesen und man passt sich an, wenn man dort ist.
Es ist demnach nicht langweilig geworden auf den 2.500 Kilometern?
Wirklich nicht, die Zeit vergeht wie im Flug, wenn man im Konvoi fährt. Über Funk habe ich mit den Kollegen richtig gute Gespräche geführt, wir kannten uns vor dem Transport ja überhaupt nicht. Deshalb hatten wir uns viel zu erzählen, zum Beispiel von Strecken, die man sonst immer fährt. Ich war damals normalerweise nur zwischen Deutschland und Österreich unterwegs, später auch nach Holland oder Belgien, selten einmal nach Luxemburg. Da war es schon spannend von den Kollegen zu hören, wo die überall rumkommen, von Spanien nach Italien und von Italien nach England, so etwas habe ich nie gemacht.
Warum nicht?
Ich hätte als junger Fahrer schon auch gern die Welt gesehen, aber wenn du Familie hast, dann willst du nicht so lange weg und spätestens am Samstag wieder zurück sein. Das Wochenende zu Hause zu verbringen, war mir schon immer sehr wichtig. Mittlerweile fahre ich nur noch Linienverkehr, da komme ich sogar jeden Abend heim. Ich bin jahrelang überhaupt nicht im Urlaub gewesen, weil ich dachte, dass ich nicht andauernd unterwegs sein will. Ich bin einfach gern zu Hause.
Seit dieser Tour hat sich die Welt ja sehr verändert. Würdest du die Strecke heute noch einmal fahren?
Wenn es wieder für einen Hilfstransport wäre: ja. Aber ganz allein hätte ich Bedenken, allein schon wegen der Sprache. Die Verständigung unterwegs ist einfach schwer, wenn Du die Landessprache nicht kannst. Hut ab vor den Kollegen, die in ganz Europa unterwegs sind, sage ich immer. Die sich da durchkämpfen und mit Händen und Füßen verständlich machen. Und es ist nicht nur das, du musst in fremden Ländern ja auch die Gepflogenheiten kennen, Du musst über die Verkehrsregeln Bescheid wissen, überall sind die Dinge ein bisschen anders. Da hast Du es im Linienverkehr leichter, da kennst du jedes Verkehrsschild und weißt, dass da zum Beispiel Überholverbot von 16 bis 18 Uhr ist, da du es lesen kannst. Aber wie soll das zum Beispiel ein junger Kollege aus Litauen auf Anhieb verstehen?
Vor dem Hintergrund Deiner langjährigen Erfahrung als Trucker: Was empfiehlst du Autofahrern, die lange hinterm Steuer sitzen müssen?
Ruhig fahren ist das Allerwichtigste, der ganze Stress bringt überhaupt nichts. Nehmt Euch die Zeit, wenn es möglich ist, entspannt Euch beim Fahren. Und brecht nicht auf den letzten Drücker auf.
Merlin Herrmann ist Pressesprecher bei Gebrüder Weiss.
Hermann Höglinger ist seit 1994 bei Gebrüder Weiss Passau. Der Österreicher ist Vater von drei Kindern und ab Mai in diesem Jahr von drei Enkelkindern. In seinem Berufsleben ist er deutlich über 5 Millionen Kilometer gefahren. Und seit fast zehn Jahren läuft er auch über weite Distanzen, an die 2.000 Kilometer jährlich.