Auf den Strassen von Hanoi

Von allem viel

Kaum eine Beschreibung der vietnamesischen Hauptstadt kommt ohne die Erwähnung des massiven Einsatzes von Hupen im Straßenverkehr aus. Als sei es das Wichtigste überhaupt, was sich dazu sagen ließe. Im Chaos der Großstadt regiere das akustische Signal, hört man, es werde andauernd von allen eingesetzt, in erster Linie natürlich von den Millionen Motorrollern, die die Straßen Hanois verstopfen, aber auch von Autos und Bussen. Den Verkehrsteilnehmern gehe ein beständiges Fanal voraus: Achtung! Ich! Hier! – Und Achtung ist in der Tat angeraten: Die Fahrzeuge auf den Straßen fahren in mehreren Spuren nebeneinander, überholen links und rechts, während am Fahrbahnrand Verkäuferinnen ihre mit Blumen oder Früchten über und über beladenen Fahrräder schieben, vom Lärmpegel scheinbar völlig ungerührt.

Volle Straßen
Bemerkenswert ist aber vor allem die Tatsache, dass es trotz des extrem hohen Verkehrsaufkommens in Hanoi auf den Straßen überhaupt vorangeht, wenn auch nur langsam. In einer synchronen Bewegung schiebt sich die Masse wie ein Schwarm immer vorwärts, unaufhörlich, panta rhei. Das ist erstaunlich, denn eigentlich erscheint die Stadt viel zu voll für stetes Fortkommen. Das Moped ist das wichtigste Verkehrsmittel, Mitte der 90er Jahre hat es das Fahrrad in dieser Rolle abgelöst. Fast jeder Haushalt in der Hauptstadt besitzt mindestens eins, die motorisierten Zweiräder werden genutzt wie hierzulande Autos, man transportiert damit Lasten aller Art: Die ganze Familie kommt mit, die Kinder schlafen an den Fahrer gelehnt oder stehen wach ganz vorne hinterm Lenker. Zudem wächst das Interesse am eigenen Auto: Jeder Prozentpunkt Wirtschaftswachstum im Land führt zu fast einem Prozentpunkt mehr Privathaushalten mit Auto. Auf den Straßen aber ist dafür viel zu wenig Platz. Zu Fuß gehen ist in Hanoi dagegen völlig unpopulär, jedenfalls dann, wenn man ernsthaft von A nach B kommen und nicht nur am Ufer eines der Seen in der Stadt flanieren möchte.

Volle Gehwege
Hanoi ist anzusehen, dass es nicht langsam gewachsen ist, sondern rasant und unkontrolliert – und dieser Entwicklungs- und Urbanisierungsprozess hält an. Von allem, was man sieht und hört, gibt es viel: Menschen, Motorroller, Autos und Abgase; Früchte in Körben, Vögel in Käfigen, Fleisch auf den Tischen direkt an der Straße. Gerüche. Dreck. Ein derartiges Wachstum stellt hohe Ansprüche an die Infrastruktur der Stadt, die nicht befriedigend eingelöst werden. Bereits die Gehwege sind als solche kaum benutzbar, es wird dort gearbeitet, gesessen, gehandelt und durchaus auch gefahren. Geparkt allerdings auch, denn der Anteil an offiziell ausgewiesenen Parkplätzen deckt den Bedarf nicht einmal annähernd. Und genau wie die Straßen werden auch Gehwege nicht instand gehalten, an vielen Stellen klaffen Löcher im Asphalt.

Hoher Bedarf an Entlastung
Auf engstem Raum findet hier eine ungeheure Verdichtung statt: Der Anteil von Verkehrsflächen an der Gesamtfläche beträgt in Hanoi nur etwa 7 – 9 Prozent, der Weltdurchschnitt liegt bei 20 – 25 Prozent. Und Verdichtung heißt neben Enge und Lärm eben auch: dicke Luft. Der Air Quality Index, der von der amerikanischen Botschaft täglich aktualisiert und veröffentlicht wird, gibt Werte an, die zeigen, dass Hanoi zu den Städten mit der höchsten Luftbelastung in ganz Asien gehört, an manchen Tagen herrscht dort die höchste Luftschadstoffbelastung auf dem gesamten Planeten. Viele Menschen tragen Mundschutz, wenn sie das Haus verlassen, einige zusätzlich zum Schutz vor dem Staub einen bodenlangen dünnen Stoffmantel mit Kapuze. Gefährlich und belastend bleibt der Alltag auf den Straßen aber trotzdem. Verkehrsunfälle sind die häufigste Todesursache in Hanoi, die Rate der Verkehrsunfälle mit Todesfolge ist eine der höchsten weltweit. Die Regierung begegnete diesen Zahlen vor wenigen Jahren unter anderem mit der Einführung einer Helmpflicht für alle Mopedfahrer und ihre Beifahrer. Doch das, was die Vietnamesen auf dem Kopf tragen, um dieser Vorschrift zu entsprechen, ist kein solider Kopfschutz. Es ist nicht viel mehr als eine dünne Schale aus Plastik, die allerdings durchaus schick aussieht.

Der öffentliche Personennahverkehr, der die angespannte Lage etwas entschärfen könnte, spielt bislang nur eine untergeordnete Rolle: Die Subventionen für kommunale Verkehrsbetriebe wurden Ende der 80er Jahre eingestellt. Der Bedarf an einer verkehrsvermeidenden Stadtplanung ist indes groß, die vietnamesische Regierung setzt dabei vor allem auf Dezentralisierung. Vom Zentrum mit seinem engen Altstadtviertel aus gesehen, befinden sich die Hochhäuser der Stadt an ihrem Rand, dort wurden Satellitensiedlungen errichtet, der Sitz mehrerer Universitäten wurde dorthin verlagert. Mithilfe der Weltbank und anderer Entwicklungsbanken soll zudem nun ein Bus-Rapid-Transport-System finanziert werden, mit eigenen Fahrspuren, modernen Fahrzeugen und Betriebsleittechnik. Außerdem sind ober- und unterirdische Stadtbahnen im Bau, die eine finanziert von der VR China, die andere von Japan. So soll bis 2020 der Anteil öffentlicher Verkehrsmittel im Personenverkehr auf 50 Prozent steigen, was erheblich zur Entzerrung der Situation auf den Straßen beitragen würde. Und im Hinblick auf den Lärm in Hanoi wäre diese Verlagerung ebenfalls eine Entlastung. Denn das mit dem Gehupe stimmt wirklich.


Miriam Holzapfel ist Kulturwissenschaftlerin, Autorin und Redakteurin für den Atlas.

Neue Markenstrategie bei Gebrüder Weiss und Röhlig: Beide Unternehmen präsentieren sich im Air & Sea-Bereich künftig unabhängig

Seit 1999 arbeiten die Logistiker Gebrüder Weiss und Röhlig mit ihren Air & Sea-Standorten in Übersee unter der Marke »Weiss-Röhlig« zusammen. Diese enge Verbindung wird nun schrittweise gelockert, sodass beide Unternehmen mittelfristig wieder unter ihren Hauptmarken auftreten. Alle Standorte bleiben unverändert und werden – je nach Eigentümerschaft – entweder unter »Gebrüder Weiss« oder »Röhlig« firmieren. Die operative Kooperation aber bleibt bestehen, die Geschäftsbeziehungen zu Partnern und Kunden werden sich nicht verändern. Ebenso wie die Niederlassung in Ho Chi Minh Stadt wird auch das Büro in Hanoi unter der Marke »Gebrüder Weiss« weitergeführt werden. Es liegt im oberen Stockwerk an der belebten Tay-Son-Straße, in Dong Da, einem der vier Innenstadtviertel. Niederlassungsleiter Hung Pham lebt gerne in der Hauptstadt. Ihm ist schon klar, dass es gerade junge Leute eher in den Süden nach Ho Chi Minh Stadt zieht, die Stadt gilt als moderner, nahezu alles dort wurde erst im letzten Jahrhundert erbaut. Hanoi dagegen ist die älteste noch bestehende Hauptstadt Südostasiens – darauf ist er stolz.

Hung Pham (ganz rechts) und seine Mitarbeiter in Hanoi von links: Mr. Dung, Ms. Phuong, Ms. Hoa, Ms. Trang
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