Alois Tement im Gespräch

On the road

Gebrüder Weiss-Fahrer Alois Tement im Gespräch mit Frank Haas – Über Disziplin, die richtige Ernährung und die Zukunft des Fahrens.

Herr Tement, Sie sind seit 34 Jahren als LKW-Fahrer für Gebrüder Weiss im Einsatz. Was hat Sie in den Job geführt?
Ich habe mit einer Kfz-Lehre begonnen. Damit hatte man früher die besten Chancen Lkw-Fahrer zu werden. Die Fahrzeuge waren damals noch nicht so standfest. Es war ein Vorteil, wenn man sich mit der Technik auskannte. Heute spielt das nicht mehr so eine große Rolle.

War Fernweh eine Motivation für Sie?
Ja natürlich, ich hatte das Bild von der Weite und Ferne im Kopf. Einen Beruf, bei dem man täglich geregelt von 7 bis 17 Uhr arbeitet, konnte ich mir nicht vorstellen. Ich habe mehr gesehen als viele andere. In Europa war ich in jedem Land, bis auf Finnland - bleibe zwar nicht länger an einem Ort, sehe aber unterwegs sehr viel. Ich fahre ja nicht ganz stupide die Straße lang und schaue nicht rechts oder links. Das ist nicht der Sinn meiner Fahrerei. Andere Fahrer praktizieren das vielleicht anders.

Wenn Sie Ihre Reisen mit einem Urlaub vergleichen – was ist da anders?
Ich gehe ohne Erwartungen an die Fahrt, es ist ja meine Arbeit. Das macht wohl den größten Unterschied zum Urlauber aus. Der will auf seiner Reise etwas erleben und hat ganz bestimmte Erwartungen. In Irland erwartet man sich sattes grünes Gras und gute gesalzene Butter. Wenn der Urlauber das nicht vorfindet, ist er enttäuscht. Für mich ist es eine schöne Überraschung, wenn ich das unterwegs erlebe.

Welche Momente sind Ihnen auf Ihren Fahrten besonders haften geblieben?
Das waren ganz verschiedene Erlebnisse. Zum Beispiel sind mir Fährfahrten nach Mallorca oder Schweden noch besonders in Erinnerung geblieben. Das macht ja sonst niemand. Ich habe das Glück, dass ich verschiedene Strecken fahren kann und dadurch Unterschiedliches erlebe. Das Fahren selbst ist immer dasselbe. Es wird zwar besser durch die Technik, bleibt aber grundsätzlich gleich. Das, was ich rundherum sehe und höre, das ist das Schöne. Vor allem, weil es spontan ist.

Hat sich Ihr Menschenbild über die Jahre hinweg verändert?
Ja, das hat es. Ich bin immer schon auf Menschen zugegangen und rede gerne mit ihnen. Selbst, wenn es mit Händen und Füßen ist. Es ist spannend zu sehen, wie verschieden die Leute sind, welche Eigenschaften und welche Mentalität sie haben. Mir ist es wichtig, ohne Vorurteile auf andere zuzugehen.

In welches Land fahren Sie am liebsten?
Ich bin sehr gerne in Großbritannien unterwegs. Aber jedes Land hat seinen eigenen Reiz. Auch die osteuropäischen Länder sind interessant. Ich habe im Laufe der Jahre gesehen, wie sich die Städte dort entwickelt haben und die Wirtschaft aufgeblüht ist. Wenn man auf der Straße unterwegs ist, erlebt man das ganz unmittelbar.

Was macht für Sie den Reiz Großbritanniens aus?
Hier geht es sehr respektvoll zu. Auf der Straße gibt es kein Drängeln, die Leute nehmen Rücksicht aufeinander. Das ist leider nicht überall so. In den deutschsprachigen Ländern –und besonders in Deutschland – gilt das Gesetz des Stärkeren. Keiner hat 30 Sekunden Zeit. Lichthupe, Faust zeigen, drängeln ist hier an der Tagesordnung. Wenn du versuchst, Abstand zu lassen, fährt dir bestimmt einer vor die Stoßstange. Die Elefantenrennen sind ein Wahnsinn. Wenn einer nur 2 km/h schneller fährt als der andere, muss er nicht überholen. Das bringt gar nichts.

Alois Tement (Bild: Jens Guarmaty)

Ende der 1990er Jahre mit Hund in Holland (Bild: Gebrüder Weiss)

"Elefantenrennen" ist ein gutes Stichwort. Wo lernt man denn, wie man sich als Lkw-Fahrer zu benehmen hat?
Das liegt im eigenen Ermessen. Es gibt immer schwarze Schafe. Ich denke, das ist auch kulturell bedingt. In England hält sich einfach jeder an die Regeln. Selbst in den größten Ballungszentren – wie Manchester, Birmingham oder London – kann ich mit dem Lkw reibungslos einfädeln und überholen. Von den Engländern und Benelux-Ländern könnten wir hier viel lernen. Man kann sagen: Je nördlicher, desto respektvoller und gelassener geht es auf den Straßen zu.

In den letzten Jahren haben Telematik-Systeme immer mehr an Bedeutung gewonnen. Inwiefern wirken sie sich auf Ihre Arbeit aus?
Da hat sich sehr viel getan! Früher ist man weggefahren und war dann wirklich weg. Es gab kein Navi und kein Mobiltelefon. Wenn man Kontakt zur Familie wollte, musste man eine Telefonzelle suchen. Man war schon "mobil", wenn man ein Funkgerät hatte. Heute ist man durch die Telematik viel stärker mit der Zentrale verbunden. Der Lieferschein kommt elektronisch rein, die Adresse ist digital erfasst. Ich muss als Fahrer fast nichts mehr tun, brauche nichts über die Gegend oder den Zoll zu wissen. Das erledigt alles das System.

Waren Sie also früher freier und weniger kontrollierbar?
Ja, das kann man so sagen. Das System zeichnet heute genau auf, wie hoch mein Verbrauch ist, wann ich bremse, wie schnell ich unterwegs bin, wie lange ich für die Strecke brauche etc. Früher gab es mehr Freiheiten. Aber man musste sich auch selbst mehr Gedanken machen.

Die Daten sind da, aber werden sie auch wirklich genutzt? Wird Ihnen vorgeschrieben, wie Sie fahren sollen?
Nein, gar nicht. Es wird geprüft, ob Verbrauch, Geschwindigkeit und Fahrzeiten im Schnitt liegen. Wenn das nicht so ist, wird genauer geschaut. In der Regel sind die Fahrzeuge im Tempo limitiert, geprüft und abgenommen. In erster Linie geht es um Wirtschaftlichkeit… Ja, ganz genau, sparsam fahren ist enorm wichtig. Der Verbrauch darf nicht über 33 Liter pro 100 Kilometer liegen. Der Verbrauch hängt stark davon ab, wofür der Lkw eingesetzt wird und wie viele Stopps er einlegen muss. Der größte Kraftaufwand entsteht durchs Beschleunigen. Die 40 Tonnen müssen ja erst einmal in Bewegung kommen. Je mehr Stopandgo ich habe, desto höher wird der Verbrauch.

Wie hoch war der Verbrauch früher?
40 Liter und mehr. Früher hatte das aber auch eine geringere Bedeutung, da der Treibstoff preis niedriger war. Es ging mehr darum, wie standfest ein Fahrzeug war. Wir haben es heute der Technik und dem Umdenken der Wirtschaft zu verdanken, dass die Lkws bis zu 25 Prozent weniger Treibstoff verbrauchen und standfester geworden sind.

Mit der Fähre nach Mallorca (Bild: Gebrüder Weiss)

Wie sehen eigentlich Ihre Arbeitszeiten aus?
Meine Arbeitswoche beginnt am Sonntag um 22 Uhr und endet – wenn es gut geht – am Freitag um 21 Uhr. Die wöchentliche Fahrzeit ist auf 47 Stunden begrenzt. Diese Zeit muss so effizient wie möglich genutzt werden. Am besten ist es, wenn man im Rhythmus 9:9:9 fährt. Das heißt 9 Stunden fahren, 9 Stunden Pause, wieder 9 Stunden fahren. Wenn ich einen Tag weniger fahre, entsteht wegen der vorgeschriebenen Ruhezeiten ein Minus, das sich schwer abbauen lässt.

Das hört sich stressig an.
Nein, das ist es nicht. Stress macht man sich selbst. Ich teile es mir ein. Wenn ich diszipliniert bin und nicht zu viele Pausen einlege, dann klappt es. Disziplin ist das A & O auf der Straße.

Wann haben Sie Feierabend? Wo übernachten Sie?
Mein Feierabend ist der Lkw-Feierabend, also das Wochenende von Freitagabend bis Sonntagabend. Unter der Woche ist der Lkw mein Zuhause. Ich versuche dann einen Parkplatz zu finden, der nicht gerade in der Pampa liegt. Es kommt aber häufig vor, dass die Parkplätze voll sind und man ausweichen muss. Gerade in Deutschland, im Ruhrgebiet, ist das ein großes Problem. Hier drängen sich viele Lkws aus dem Osten, die die Parkplätze besetzen. Als junger Fahrer ist das schwierig. Mit der Erfahrung weiß man aber, welche Plätze man anfahren kann.

Wie ist es denn um die viel besungene Freiheit und Romantik im Beruf des Lkw-Fahrers bestellt?
Romantik? Vergesst’s das. Die Technik hat die Romantik längst überholt. So ist es viel besser, wir haben viel weniger Stress.

Was tut der Fernfahrer, um nicht müde zu werden?
Das ist eine gute Frage. Der vernünftige Fernfahrer nimmt kein Nikotin, keinen Kaffee und keinen Alkohol zu sich und schaut, dass er fit ist. Aufputscher machen dich nur für kurze Zeit wach. Das Ganze spielt sich nur im Kopf ab.

Wie ernähren Sie sich?
Meine Frau sagt, ich wäre sehr heikel. Ich nehme mein Essen immer mit. Ich esse hauptsächlich kalt. Dem Körper ist es egal, ob du kalt oder warm isst. Ich esse auch nichts, was ich nicht kenne. Ich esse wenig Fleisch und wenig Fett, viel Obst und Salat.

Vorbildlich. Haben Sie keine Schwächen?
Nein.

In Ihrem Beruf gibt es derzeit ein Nachwuchsproblem. Woran liegt das?
Das Image des Lkw-Fahrers ist auf der Straße nicht gut. Lkws sind für Pkws ein Hindernis. Heute will aber auch kein Junger bei uns 4.000 bis 6.000 Euro für den Lkw-Führerschein investieren. Höchstens ein Frächtersohn. Auf den Straßen sehe ich heute nur ältere Lkw-Fahrer, aus meiner Generation, oder ausländische Fahrer. Den heimischen Nachwuchs gibt es nicht.

Was muss getan werden, damit der Beruf wieder Zukunft hat?
Der Job sollte familienfreundlicher sein. Das kann man zum Beispiel durch kürzere Touren erreichen, etwa durch Pritschentransporte, bei denen sich zwei Lkws auf halber Strecke entgegenkommen. Als Lkw-Fahrer sollte man aber auch ein Mensch sein, der mit Entbehrungen umgehen kann. Familie und Freunde sieht man nur an den Wochenenden, damit muss man klarkommen. Man braucht ein gutes soziales Netz, damit es klappt. Ich habe großes Glück: Meine Frau steht seit über 30 Jahren voll und ganz hinter mir. Viele andere Fahrer sind schon zum zweiten oder dritten Mal verheiratet.

Wie sieht Ihre Zukunft aus?
Ich werde noch sieben Jahre fahren und dann mit 60 in Pension gehen. Mal sehen, was der Gesetzgeber dazu sagt! Ich bin dann über 40 Jahre Lkw gefahren und war bisher so gut wie nie krank. Das sollte reichen.

Können Sie sich vorstellen, in Ihrer Pension sesshaft zu werden?
Ich fühle mich pudelwohl daheim und muss nicht immer unterwegs sein. In der Pension habe ich dann wieder mehr Zeit für meine Interessen, vor allem für den Motorsport.

Wo führt Ihre nächste Fahrt hin?
Nach Großbritannien natürlich.


Frank Haas ist Leiter der Markenstrategie und Kommunikation bei Gebrüder Weiss und Chefredakteur des Atlas.

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