Robert Stahlschmidt im Gespräch

»Die Mischung aus beiden Welten zeichnet uns aus«

Frank Haas im Gespräch mit Robert Stahlschmidt

Du kommst von Ipsen Logistics und leitest seit Oktober vergangenen Jahres die Gebrüder Weiss Niederlassung in Hamburg. Bist du denn schon angekommen in der orangenen Welt?
Manchmal wundere ich mich, wie sehr ich mich hier zuhause fühle, als wäre es nie anders gewesen. Wie eine gut gereifte Orange (lacht). Es gibt sehr viele freundliche und offene Leute im Unternehmen – das vermittelt mir ein gutes Gefühl. Ich erfahre in allen Bereichen Unterstützung. Gebrüder Weiss ist ein großes Unternehmen, da ist alles extrem professionell aufgestellt, aus Österreich begegnet uns hier eine Stabilität und Seriosität, von der wir in Hamburg und Deutschland nur profitieren.

Im Oktober ist die Hamburger Gebrüder Weiss-Niederlassung mit der Ipsen-Niederlassung zusammengeführt worden. Im Anbetracht der erschwerten Bedingungen durch Corona, ist euch dieser Schritt gelungen?
Wir sind innerhalb dieser kurzen Zeit schon sehr weit gekommen – und das unter den belastenden Voraussetzungen. Wir konnten uns nicht treffen, dabei ist der persönliche Austausch so wichtig, um die Geschäfte und Abläufe im Unternehmen kennenzulernen und sich aufeinander einzulassen. Es ist uns gelungen, unsere Kunden in dem derzeit schwierigen Marktumfeld in der Luft- und Seefracht erfolgreich begleiten zu können und ihnen eine stabile Qualität anzubieten – jeden Tag wieder. Die Gesamtleistung des Teams beeindruckt mich sehr und das macht mich stolz.

Wie wichtig ist denn eigentlich Hamburg im Netzwerk von Gebrüder Weiss?
Für mich als gebürtigen Hamburger, der gerne auf dem Wasser ist, fühlt es sich natürlich gut an, zu sagen: Hamburg ist extrem wichtig. Alleine durch den größten Hafen in Deutschland haben wir eine Schlüsselfunktion auch für das ganze Netzwerk des Unternehmens.

In der Corona-Krise ist die Logistik besonders gefordert. Wie reagiert ihr darauf in Hamburg?
Wir müssen sehr flexibel reagieren. Unabhängig von der Krise gehen wir grundsätzlich sehr eng mit den Kunden in einen Austausch, um zu lernen, zu erfahren und zu verstehen, was ihre Probleme und Anforderungen sind. Da kommen jetzt in der Corona-Zeit natürlich noch andere, weitere Themen auf, denen wir mit individuellen Lösungen begegnen müssen. Diese intensive Beziehung ist unsere Stärke und davon profitieren wir gemeinsam mit unseren Kunden.

Und wie hat sich Gebrüder Weiss als Spedition diese Flexibilität und Anpassungsfähigkeit bewahrt?
Auf der einen Seite gehen wir mit den digitalen Veränderungen mit, das zeigt sich am Beispiel unseres digitalen Kundenportals myGW, das wir gerade in Deutschland einführen. Das sorgt für Transparenz und Zuverlässigkeit in den Abläufen. Auf der anderen Seite steht bei uns immer noch die Expertise der Mitarbeiter*innen im Vordergrund. Wir sind für unsere Kunden – ganz oldschool – jederzeit per Telefon erreichbar und wir werden die Kunden auch wieder persönlich besuchen. Diese Mischung aus beiden Welten, die zeichnet uns aus.

Welche Trends im Bereich Luft- und Seefracht siehst du momentan, und wie müssen wir als Unternehmen darauf reagieren?
Ein Trend ist sicherlich der Weg in die digitale Welt. Das spüren wir allein dadurch, dass wir verstärkt auf digitale Lösungen angesprochen werden. Die Einführung von myGW kommt da gerade zum richtigen Zeitpunkt. Die größten Herausforderungen derzeit sind sicher die Schwierigkeiten, die das Umfeld mitbringt. Die Knappheit an Containern, an Equipment, der Mangel im Schiffsraum. In der Luftfracht haben wir mit den gleichen Problemen zu kämpfen. Damit sind wir jeden Tag konfrontiert, jede*r Mitarbeiter*in muss sich intensiv an der Lösungsfindung beteiligen. Und große Besserung oder Entspannung ist noch nicht wirklich in Sicht.

Jahrelang gab es Überkapazitäten auf den Weltmeeren und auch im Luftraum. Und plötzlich heißt es, wir haben keine Kapazitäten, es gibt keinen Frachtraum mehr. Woran liegt das?
(Lacht) Böse Zungen würden wahrscheinlich behaupten, dass es eine künstliche Verknappung ist, die aus wirtschaftlicher Sicht – wenn man sich in die Reederei oder den Carrier hineinversetzt –sicherlich Sinn macht. Es ist einfach ökonomisch sinnvoller, drei Schiffe vollausgelastet zu fahren, als fünf unter zweidrittel Auslastung. Jetzt sind die Reeder und auch die Airlines eine zeitlang auf der Gewinnerseite und versuchen so ein bisschen aufzuholen. Das verliert die Fluggesellschaft natürlich in der Passage wieder zurzeit. Das ist eine Momentaufnahme, das Pendel wird auch wieder in die andere Richtung schwingen. Es wäre schön, wenn man sich irgendwann in der Mitte treffen würde und nicht immer diese Extreme hätte in die eine oder die andere Richtung. Vielleicht landen wir da irgendwann, aber ehrlich gesagt fehlt mir der Glaube daran.

Was möchtest du denn in Hamburg gemeinsam mit deinem Team erreichen?
Wir als Air & Sea Deutschland haben noch eine relativ junge Geschichte. Als Team wollen wir noch mehr zusammenwachsen, uns die positive Haltung bewahren und gestärkt aus der Corona-Krise hervorgehen. Wir bieten das Beste aus zwei Welten, digital und analog, auf beiden Seiten haben wir tolle Menschen mit super Ideen – und das überzeugt hoffentlich auch unsere Kunden. Und dann wünsche ich mir, dass wir irgendwann unsere Erfolge auch wieder gemeinsam feiern dürfen.

Vielleicht noch abschließend ein Wort zum Logistikstandort Hamburg? Wie steht es um die Wettbewerbsfähigkeit dieses Standorts? Wird Hamburg auch in zwanzig, dreißig oder fünfzig Jahren noch von herausragender Bedeutung sein oder laufen andere Häfen Hamburg allmählich den Rang ab?
Nein, das denke ich nicht. Denn Hamburg hat geografisch eine extrem interessante Lage, auch als Tor für Osteuropa. Natürlich muss die Stadt flexibel bleiben, darf den Zeitpunkt nicht verpassen, sich auch dem Wettbewerb zu stellen und zu verstehen, dass man gewisse Veränderungen einfach vornehmen muss, in Sachen Infrastruktur, in Bezug auf die Anbindung ans Umland und das Hinterland zum Beispiel. Und dann wird Hamburg auch weiterhin eine entscheidende Rolle spielen. In Deutschland sowieso – da sehe ich gar keine Gefahr –, aber auch in Europa.


Frank Haas ist Leiter Markenstrategie und Kommunikation bei Gebrüder Weiss und Chefredakteur des Atlas.

stahlschmidt.pngRobert Stahlschmidt ist seit über 20 Jahren im Logistikgeschäft. Im Oktober 2020 hat der 41-Jährige die Leitung der Gebrüder Weiss-Niederlassung in Hamburg übernommen. Zuvor verantwortete er den Standort von IPSEN in der Hansestadt. (Bild: Privat)

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