Fahren mit der Leistung eines Toasters
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Das aCentauri-Solar-Racing-Team der ETH Zürich hat mit einem Solarmobil an einem Rennen für Solarautos teilgenommen. Hauptpartner und Sponsor der Aktion war Gebrüder Weiss. Frank Haas hat mit Alexandr Ebnöther und Gian-Leo Willi über ihr spezielles Solarmobil gesprochen – und über die Bedeutung einzelner Erkenntnisse für die Zukunft der Mobilität.
Ihr seid Studierende an der ETH Zürich und habt an der Bridgestone World Solar Challenge teilgenommen – einem Rennen über die Distanz von 3.000 Kilometern von Darwin quer durch das australische Outback nach Adelaide. Dabei seid ihr als zwölftes von insgesamt 32 Teams durchs Ziel gefahren. Seid ihr zufrieden mit dem Ergebnis?
Alexandr Ebnöther: Ja. Unser Ziel war es, die Distanz überhaupt zu schaffen, deshalb waren die Erleichterung und die Freude unglaublich groß. Wir wissen, dass es noch Luft nach oben gibt, und wir haben große Lust, erneut bei einem Rennen anzutreten.
Für Euch war das Rennen weniger ein Sportereignis als ein Forschungsprojekt. Was hat euch die Fahrt durch Australien gebracht?
Gian-Leo Willi: Bei uns geht es um Effizienz und an welchen Stellen man dafür noch etwas rausholen kann. Wir wollen wissen, wie man Mobilität weiterentwickelt und nachhaltiger macht, auch durch eine Verbesserung der Aerodynamik beispielsweise.
Um so ein Rennen zu gewinnen, schraubt man also lieber an der Aerodynamik als an der Motorleistung?
Ebnöther: Ja. Es ist die Effizienz, die ein Auto zukunftsfähig macht.
Nun arbeitet ihr aber an einem speziellen Modellauto. Sind die Erkenntnisse, die ihr dabei habt, auf normale PKW übertragbar?
Ebnöther: Natürlich würde mit unserem Auto kein Mensch zum Einkaufen fahren, das wäre viel zu unbequem. Es sind die kleinen Dinge, die wir erproben – wie man hier und dort jeweils noch 1,2 Watt einspart. Oder wie man ein Auto auch während der Fahrt laden kann und nicht nur an einem festen Ort. Diese Details machen am Ende einen großen Unterschied. Die Veränderung der Mobilität ist ein Prozess aus vielen kleinen Schritten.
„Es ist die Effizienz, die ein Auto zukunftsfähig macht“
Euer Auto wiegt nur 188 Kilogramm, also sehr viel weniger als ein handelsüblicher Pkw. Wenn es darum geht, Autos generell effizienter zu machen, müssten die dann nicht alle auch viel leichter werden?
Willi: Dafür bräuchte man spezielle Verfahren in der Fertigung und eine angepasste Design-Philosophie – weniger starke Motoren, bessere Aerodynamik, effiziente Antriebe und so weiter. Das Material, das wir für unser Solarmobil verwenden, wird in der Raumfahrt für Raketen eingesetzt, man setzt es aber auch im Rennsport und in anderen Hightechanwendungen ein. Tatsächlich wollen wir nicht nur Technologien testen, sondern auch Materialien.
Welche Materialien habt ihr verwendet?
Ebnöther: Für die Hauptstrukturen hauptsächlich Carbonfasern. Die bieten bei wenig Gewicht eine hohe Steifigkeit, steifer als Stahl oder Aluminium beispielsweise. Karosseriebauteile aus Carbon sind deutlich leichter als ein entsprechend eingesetztes Element aus Aluminium oder Stahl. Meiner Meinung nach ist unser Mobil für ein Solarauto aber immer noch zu schwer.
Warum verwendet man Carbon nicht auch bei herkömmlichen Autos?
Ebnöther: Teilweise wird das schon gemacht, allerdings sind Carbonteile komplizierter in der Herstellung. Da ist viel Handarbeit nötig und die ist nun einmal zeitaufwendig und teuer. Das Aluminiumspritzgießen ist dagegen sehr viel einfacher zu automatisieren.
Willi: Man muss aber auch ehrlich sagen, dass die Herstellung von Teilen aus Carbonfasern nicht besonders nachhaltig sind. Alles in allem ist es im Moment deshalb so, dass man Carbon vor allem dort einsetzt, wo wirklich jedes einzelne Gramm eine Rolle spielt. Es gibt aber auch schon Versuche mit Naturfasern, mit denen man Carbonfasern ersetzen könnte.
Wie kann man sich diese Naturfasern vorstellen?
Ebnöther: Das sind meistens Flachsfasern und die funktionieren in der Fertigung und im Wirkprinzip genau wie Kohlefasern: Man tränkt sie in einem Epoxidharz, welches für die Positionierung sorgt, wobei die Fasern den Kraftfluss aufnehmen. Flachsfasern sind Carbonfasern sehr ähnlich, zugleich aber energieeffizienter in der Herstellung und aus nachwachsenden Rohstoffen. Allerdings ist das Material etwas flexibler, es dehnt sich mehr. Man braucht deshalb mehr Naturfasern als Kohlestofffasern, um die gleiche Steifigkeit zu erreichen.
Zum Material eures Autos gehört auch Lack. Warum ist der wichtig?
Ebnöther: Das Auto muss gut aussehen, das ist nicht zuletzt für das Marketing von Bedeutung. Vor allem aber spielt Lack für die Aerodynamik eine wichtige Rolle, weil durch die glattere Oberfläche der Widerstand verringert wird. Es gibt sogar Beschichtungen, sogenannte Haifischhaut, die der Natur abgeschaut sind und die einer Oberfläche durch Nanopartikel eine bestimmte Rillenstruktur geben, die den Strömungswiderstrand verringert. So eine Beschichtung kann beispielsweise auf Flugzeugrümpfe oder Schiffsbäuche aufgetragen werden, um die Effizienz zu steigern. Für unser Solarmobil haben wir allerdings einen handelsüblichen Lack verwendet, den man auch auf ein normales Auto auftragen kann.
Ein Auto ohne Lack würde also mehr Kraftstoff verbrauchen?
Ebnöther: Es kommt auf den Anwendungsfall an. In der Formel 1 sehen wir, dass viele Teams gar keinen Lack verwenden, um leichter zu sein. Und das macht Sinn, denn ein Formel-1-Rennwagen muss unglaublich schnell beschleunigen und schnell abbremsen. Das Gewicht ist dabei ein wichtiger Faktor. Wir dagegen beschleunigen viel weniger. Wir haben eine Sensitivitätsanalyse gemacht, um herauszufinden, welcher Faktor in unserem Fall wichtiger ist: das Gewicht oder die Aerodynamik. Dabei hat sich gezeigt, dass die Aerodynamik deutlich wichtiger ist, und deshalb haben wir Lack verwendet.
Wieviel wiegt denn so eine Lackbeschichtung?
Ebnöther: Das ist natürlich unterschiedlich und hängt vom Fahrzeug und vom Lack ab. Bei uns wiegt der Lack ungefähr zehn Kilogramm.
Von Kohlefaser und Lack einmal abgesehen – welche speziellen oder ganz normalen Materialien habt ihr noch eingesetzt?
Ebnöther: Es gibt bei so einem Solarmobil gewisse Spezialanwendungen, beispielsweise die Fahrerkabine. Die wurde aus Glasfaser gemacht, damit Funkwellen durchkommen und die Kommunikation funktioniert.
Wer muss da mit wem kommunizieren?
Ebnöther: Wir fahren in einem Konvoi. Wir haben ein Lead-Car, das dem Solarmobil vorausfährt und nach dem Solarauto kommt noch ein Chase-Car. Das Chase-Car ist sozusagen das Gehirn, von dort kommt die ganze Strategie. Im Solarauto selbst haben wir ganz viele Sensoren, die zum Beispiel die Sonneneinstrahlung messen. Damit die Strategie fortlaufend angepasst werden kann, muss zu jedem Zeitpunkt klar sein, wie viel Energie wir reinbekommen, wie der Batteriezustand ist und so weiter. Solche Angaben müssen permanent kommuniziert werden und wir brauchen Funkkontakt, um dem Fahrer oder der Fahrerin sagen zu können: „Hey, fahr mal lieber 80 Kilometer pro Stunde, anstatt 75, denn gerade haben wir mehr Sonneneinstrahlung“ oder auch: „Achtung, da vorne ist ein Schlagloch!“. Es ist ein ständiges Hin und Her.
Energie ist ein gutes Stichwort. Die Solarpaneele auf eurem Auto sind zusammengenommen vier Quadratmeter groß. Wird damit ein normaler Elektromotor angetrieben?
Willi: Unser Elektromotor ist spezifisch ausgelegt für dieses Rennen. Durchschnittlich sind wir zuletzt mit 1000 Watt gefahren – das ist weniger als das, was ein handelsüblicher Toaster an Leistung hat. Wir fahren bei 80 km/h also mit der Leistung eines Toasters. Die Solarzellen aber, die wir von unseren Sponsoren bekommen haben, liegen in einem gehobenen Effizienzbereich. Solarzellenhersteller sind ja permanent damit befasst, die Effizienz von Solarzellen zu verbessern. Das ist ein ganz spannendes Forschungsfeld.
Im Moment aber reichen Solarflächen allein noch nicht aus, um ein ganz normales Auto aufzuladen?
Ebnöther: Nein. Es gibt natürlich spezielle Solarzellen, die einen sehr hohen Wirkungsgrad haben. Galliumarsenid-Zellen zum Beispiel, die sind strahlungsresistent und werden in der Raumfahrt unter anderem für die Energieerzeugung bei Satelliten verwendet. Aber auch mit solchen Materialien würde die sehr begrenzte Oberfläche eines Autos nicht ausreichen, um die notwendige Energie für den hohen Verbrauch bereitstellen zu können. Es gibt allerdings auch Forschung, die an transparenten Solarzellen für die Scheiben arbeitet.
„Es gibt nicht eine Lösung für alles, sondern immer eine Kombination aus verschiedenen Faktoren“
Ein weiteres interessantes Thema ist die Bereifung. Habt ihr spezielle Reifen verwendet?
Ebnöther: Ja, das haben wir. Wir sprechen über die Bridgestone World Solar Challenge, unsere Reifen wurden uns also von Bridgestone zur Verfügung gestellt. Die waren zu 70 Prozent aus Recyclingmaterial und hatten trotzdem einen sehr guten Rollwiderstand, was für die Effizienz natürlich wichtig ist.
Um von den Einzelteilen zum Schluss noch einmal auf das Große und Ganze zu kommen: Wo sollte man ansetzen, um Mobilität nachhaltig zu gestalten?
Willi: Es ist schwierig, das auf einen einzigen Punkt zu bringen. Nicht nur bei Fahrzeugen und Verkehr, sondern in der Gesellschaft insgesamt stellt sich ja die Frage, an welchen Stellen man Einsparungen vornehmen kann. Es gibt nicht eine Lösung für alles, sondern immer eine Kombination aus verschiedenen Faktoren. Und natürlich ist das ein interdisziplinäres Feld und alle müssen jeweils daran arbeiten, ihren Teil beizutragen. In unserem Bereich arbeiten wir daran, ein Auto möglichst effizient herzustellen, schlussendlich muss es von den Leuten aber auch sinnvoll eingesetzt werden.
Wie geht es mit eurem Solarauto weiter?
Ebnöther: Es wird noch einmal fahren. Wir gehen bei der iLumen European Solar Challenge an den Start. Das ist ein 24-Stunden-Rennen für Solarautos, das alle zwei Jahre auf der ehemaligen F1-Strecke Circuit Zolder in Belgien stattfindet. Und da sind wir wieder dabei.