Weltreise mit dem Rad

Radweltreise

Mit 24 Jahren bricht Dennis Kailing in seinem Heimatort in Hessen, Deutschland, auf, um die Welt mit dem Rad zu erfahren. In 761 Tagen reist er ostwärts durch 41 Länder und legt dabei 43.600 Kilometer zurück.

Dennis Kailing in der Salzebene in Bolivien (Bild: Dennis Kailing)

„Ferne Länder haben mich schon immer interessiert, vielleicht auch weil ich mit meinen Eltern meist nicht sehr weit verreist bin – höchstens an die Nordsee oder in die Alpen. Als ich im Internet zufällig etwas über eine Weltreise mit dem Rad gesehen habe, hat mich das Thema sofort fasziniert. Ein halbes Jahr lang habe ich recherchiert, Blogs gelesen, gegrübelt und dann entschieden: Ich mach das jetzt auch, ich fahre mit dem Rad um die Welt. Ich hatte noch nie eine Radreise gemacht, die Etappen habe ich anfangs also nur grob geschätzt. Aber letztlich habe ich das ganz gut kalkuliert mit den zwei Jahren. Das Fahrrad war das Verkehrsmittel meiner Wahl, weil es relativ günstig ist, und ich damit unabhängig von anderen bin, von Fahrzeiten und Linien. Ich kann stehen bleiben, wann immer ich will und komme trotzdem einigermaßen schnell voran. Außerdem ist es umweltfreundlich und verspricht Abenteuer. Dass das Unterwegssein mit dem Rad tatsächlich auch Anlass für zahlreiche Einladungen und Gespräche sein und ich dadurch unterwegs ganz nah an Land und Leuten kommen würde, ist mir erst unterwegs klar geworden. Und das war dann wirklich faszinierend, weil ich Einblicke in ganz andere Lebensrealitäten bekommen habe: Aus mitteleuropäischer Sicht ist es beispielsweise finanziell machbar, mit dem Rad um die Welt zu fahren. Aber für ganz viele Menschen, denen ich unterwegs begegnet bin, ist die Anschaffung eines Rads undenkbar. Dabei hat es so viele Vorteile – für den Weg zur Arbeit oder zur Schule, als Transportmöglichkeit für Lasten, zur medizinischen Versorgung, und nebenbei ist die Bewegung auch noch gesund. Das alles ist mir erst jetzt richtig bewusst.

Etappe für Etappe habe ich die Landesgrenzen hinter mir gelassen, Deutschland, Österreich, Slowakei und so weiter. In der Türkei war ich dann soweit, dass ich ganz im Reisemodus war, dass ich gemerkt habe, ich mache gerade genau das, was ich mir vorgenommen habe und was ich machen möchte. Das war ein toller Moment. Ich hatte eine App zum Navigieren, in der ich Streckenverläufe und Aufenthalte eingetragen habe. Da konnte ich aus der Ansicht rauszoomen und irgendwann musste ich die Erdkugel tatsächlich etwas drehen, damit ich meine bisherige Route verfolgen konnte, so eine lange Strecke hatte ich schon zurückgelegt – und das Zuhause war wirklich in weite Ferne gerückt. Aber gefehlt hat mir während der zwei Jahre fast nichts. Eigentlich war das, was ich in meinen Packtaschen dabeihatte, vollkommen ausreichend. Nur meine Musikanlage, die hätte ich manchmal gern gehabt, um laut Musik zu hören.

In der ersten Nacht, als ich alleine in meinem Zelt war, hatte ich noch die meiste Angst. Das hatte aber mit mir selbst zu tun, denn natürlich gab es danach noch viel gefährlichere Situationen. Aber letztlich ist alles gut gegangen. Umzukehren oder abzubrechen, daran habe ich eigentlich nie gedacht, obwohl es Tage gab, an denen es einfach nicht lief – wenn starker Wind konstant von vorne kam oder ich zwei Platten hintereinander hatte. Was mich dann motiviert hat, waren all die tollen Erlebnisse, die bereits hinter mir lagen, und die Gewissheit, dass der Wind früher oder später wieder abflauen und die Sonne sich wieder zeigen würde.

Mitgenommen habe ich von meiner Reise vor allem einen neuen Blick auf mein Leben und auf meine persönliche Zukunft. Mir wurde als Kind und Jugendlicher immer erzählt, eine gute Ausbildung, ein sicherer Job und ein fester Wohnsitz seien das Wichtigste im Leben. Unterwegs habe ich dann aber so viele Menschen getroffen, für die das gar nicht das Ziel ist oder sein kann. Die haben im Alltag ganz andere Sorgen oder setzen für sich einfach andere Prioritäten, und daraus habe ich für mich sehr viel Zuversicht abgeleitet: Es wird immer etwas geben, was mich voranbringt, und das muss ich heute noch nicht kennen. Diese Einsicht lässt mich sehr entspannt und positiv in die Zukunft blicken.“

Radweltreise in Zahlen

Fahrtage:
477
Durchschnittliche Distanz Tagesetappe: 90 Kilometer
Längste Tagesetappe: 231 km
Überwundene Höhenmeter: 295.000
Gesamtfahrzeit: 2.350 Stunden
Spitzengeschwindigkeit: 78,6 km/h
Durchschnitts-Geschwindigkeit: 18,5 km/h
Platte Reifen: 63

Hauptsache, es gibt ausreichend Proviant in den Gepäcktaschen: Auf der Durchreise in Armenien. (Bild: Dennis Kailing)
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