Michael Zankel im Gespräch

Eine Frage der Perspektive

Der Österreicher Michael Zankel ist seit 2017 Leiter der Region East Asia bei Gebrüder Weiss – seit 2020 verantwortet er auch die Geschäfte des Logistikers in Ozeanien.

Seit 2020 hat Gebrüder Weiss Niederlassungen in Neuseeland und Australien. Welche Rolle spielen diese für das Netzwerk des Unternehmens?
Die Länder sind eine absolute Bereicherung für uns. Bisher haben wir im Unternehmen immer eher Richtung Ost-West gedacht: Europa, Nordamerika sowie Asien auf der nördlichen Halbkugel. Eine Nord-Süd-Verbindung fehlte. Australien und Neuseeland liegen zwischen Amerika und Asien und haben mit beiden Kontinenten starke Handelsbeziehungen. Die Märkte dort sind sehr importorientiert, die neuen Linien, die wir dort aufbauen, kommen unseren Kunden entgegen. Unser Netzwerk wird dadurch nicht nur größer, sondern auch globaler.

Christchurch in Neuseeland ist die südlichste Gebrüder Weiss-Niederlassung überhaupt, von dort sind die Handelspartner China und Amerika weit weg, auch das Head Office in Österreich. Wie arbeitet man über solche großen Distanzen zusammen?
Das hängt natürlich von der Perspektive ab: Von Österreich aus ist die Entfernung zu Australien riesig. Von Hongkong, wo ich mein Büro habe, ist Neuseeland jedoch ähnlich weit weg wie Europa oder USA. Das lässt sich von hier aus also ganz gut steuern. Grundsätzlich sind in der Region Ostasien/ Ozeanien die Distanzen sehr groß. Zwischen unserer nördlichsten Destination Seoul und der südlichsten in Christchurch liegen mehr als 10.000 Kilometer. Ob das eine besondere Herausforderung ist? Wir sind ja Logistikspezialisten, da ist es unser Job, Distanzen zu überwinden. Mit Singapur haben wir einen guten Brückenkopf für Australien und Neuseeland. In Australien decken die Städte Sydney, Melbourne, Adelaide und Brisbane 80 Prozent der Wirtschaftsleistung ab und liegen alle entlang der Küste. Perth im Westen hat vielleicht auch noch wirtschaftliche Bedeutung. Der Rest des Landes ist fast unbesiedelt. Das heißt, die für uns relevanten Orte sind doch näher beieinander gelegen, als man denken könnte. Das sind quasi europäische Distanzen.

Eine größere Herausforderung sind die unterschiedlichen Zeitzonen: Von Neuseeland nach Hongkong sind es allein schon 5 Stunden, zu unserem Head Office sind es von dort 12 Stunden. Das ist wortwörtlich ein Unterschied wie Tag und Nacht. Ich glaube, die räumlichen Distanzen, so wie das Wort zumeist gelesen wird, können durch die Überwindung der inneren Distanz in der Region durchaus überbrückt werden: durch enge Zusammenarbeit, gute Kommunikation, viel Interaktion, Vernetzung - da kann man einiges tun.

Die Eröffnung der Standorte in Ozeanien fiel mitten in die Pandemie, du konntest bisher nicht persönlich nach Australien oder Neuseeland reisen. Wie hast du trotz Pandemie eine Nähe zu den Kolleginnen und Kollegen vor Ort aufgebaut?
Im Februar 2020, kurz bevor nichts mehr ging, konnte ich unseren heutigen Managing Director Australien & Neuseeland, Andrew Antonopoulos, in Vietnam treffen. Er ist der einzige aus dem Team, den ich persönlich kenne. Das ist natürlich schon eine Herausforderung, die viel mit Vertrauen zu tun hat. Seit Eröffnung der Landesorganisation haben wird unter dem Stichwort Zusammenarbeit viele Aktionen gestartet: Wir haben verschiedene Projektgruppen ins Leben gerufen wie Logistik, Einkauf, Talententwicklung, Marketing, in denen Manager und Direktoren aus unserer Region in Teams zusammenarbeiten. Außerdem haben wir ein intensives Teamcoaching über mehrere Monate organisiert. Das hat dazu geführt, dass Leute, die sich noch nie im Leben persönlich getroffen haben, jetzt trotzdem meinen, einander relativ gut zu kennen. Das hilft enorm.

Die Pandemie beeinflusst auch das Geschäft in den beiden Inselstaaten, sie sind sehr importabhängig. Was bedeuten die Störungen in den globalen Lieferketten für Gebrüder Weiss dort unten?
Auch hier wirkt sich das natürlich auf die Transporte aus. Die Lieferzeiten sind länger und wir erleben durch die Teuerung unter anderem auch der Transporte eine Inflation. Aber für Gebrüder Weiss ist ja jede Schwierigkeit auch eine Chance. Wir sehen uns in erster Linie nicht nur als Transporteur, sondern als Solution Manager: Vor kurzem haben wir ein neues Air & Sea-Produkt auf den Markt gebracht, dass die Waren in den europäischen Produzentenländern einsammelt und per Flugzeug nach Singapur bringt. Von da geht es auf dem Seeweg weiter nach Australien und Neuseeland. Das gab es in dieser Größenordnung bisher nicht, wir konnten schnellere Lieferzeiten und günstigere Preise auf der Strecke anbieten. So etwas hat durchaus Potenzial auch in der Zeit nach Corona.

Was möchtest du mit deinem Team in Ozeanien noch erreichen?
Wir wollen in Australien und Neuseeland Landesorganisationen mit vergleichbaren Strukturen aufbauen wie in unseren asiatischen Ländern. Eigene Büros in zentralen Städten, zum Beispiel. Da sind wir in Neuseeland schon recht weit, in Australien müssen wir noch einiges aufholen. Corona hat uns in den letzten zwei Jahren schon sehr ausgebremst. Brisbane und Perth, da wollen wir einmal vertreten sein. Wir wollen gewisse Lieferketten innerhalb des Landes aufbauen, damit wir nicht nur Luft- und Seefracht anbieten können. Momentan sind wir von dort aus hauptsächlich mit drei, vier Ländern in Kontakt. Wenn wir unser gesamtes Netzwerk nutzen, können wir noch deutlich mehr erreichen. Mein persönlicher Wunsch für dieses Jahr ist es, endlich die räumliche Distanz zu überwinden und in diese Länder zu reisen. Genauso hoffe ich, dass das Management von dort die Gelegenheit haben wird, unser Head Office und auch unsere Asien-Organisationen zu besuchen und gemeinsam bei einem australischen, österreichischen oder asiatischen Bier zu sitzen.

Christina Gasser ist Teamleiterin International Marketing bei Gebrüder Weiss und Ansprechpartnerin für die Gebrüder Weiss Niederlassungen in Übersee.

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Michael Zankel (Bild: Gebrüder Weiss)

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