Kasachstan-Reportage

»Kasachstan!«

Die geraden mehrspurigen Straßen ziehen sich hin. Die Stadt ist grün, der Himmel blau, die Berge nah. Von fast jedem Punkt sieht man sie, die ewig weißen Gipfel des Pik Talgar mit ihren 4.900 Metern. Laut und lebendig geht es zu, die Cafés und Restaurants sind voll, die angebotene Küche so polyglott wie die fast allgegenwärtige Weltmusik, das Nachtleben soll zu den aufregendsten in Zentralasien gehören: Willkommen in Almaty – mit rund 1,7 Millionen Einwohnern größte und internationalste Stadt Kasachstans.

Die Perle
Die Republik ist jung, ihre Bevölkerung ist es auch – die Mehrzahl der Menschen ist, anders als in vielen Staaten Europas, unter dreißig, geheiratet wird früh, der Familienverband ist das Sicherheitsnetz für alle, die Großmutter der Patriarch. Mehr als 70% der Kasachen bekennen sich zum Islam, begehen seine hohen Feiertage, und leben den Alltag weltlich: Die Kinder sind keck, charmant, neugierig, Mädchen und Jungen spielen sich frei, lachend, ausgelassen durch die Parks und großen Plätze, Skateboards sind selbstverständlich wie BMX-Räder und Skater. Die Kleidung der Kids, Teens, Twens ist von H&M und Zara geprägt, sie wollen so hip, chic, lässig sein wie die Gleichaltrigen der Welt; selten, dass eine junge Frau eines der traditionellen bunten Tücher und Kopftücher trägt, verschleiert ist kaum jemand.

Zum lebensleichten Bild gehören die zahlreichen Straßenmusiker – hier ein Akkordeonspieler mit schiefem Mund doch toller Stimme, dort der schüchterne Gitarrist an der Metrostation, ein Saxophonist in schwarzer Sportmontur – ihnen allen wird gegeben, und sei die Münze noch so klein.

Almaty ist Kasachstans Zentrum der Medien und Messen, die ersten Metrostationen sind fertig, die Börse macht ihre Geschäfte, der älteste Zirkus des Landes ist beliebt wie eh und je, im »Park der 28 Panfilowsky«, in dem ein mächtiges Mahnmal und eine Ewige Flamme an die Helden des Großen Vaterländischen Krieges erinnern, spielen die Kinder mit den Großeltern, strahlt die farbenfrohe, aus Holz gebaute Christi-Himmelfahrt-Kathedrale in der Sonne.

Zahlreiche Straßenmusiker tragen zum bunten Bild Almatys bei
Auch an den Ständen im »Green Market« führen die Großmütter das Wort

Die Luft wird leider leicht ein wenig schwer – der Diesel ist anders zusammengesetzt als in Europa, und viele Pkw, die vor Jahren noch im Westen fuhren, fristen hier nun ein neues Leben; manche Lkw sind so laut, so klappernd, so alt, dass sie von Nikita Chruschtschow, wenn nicht noch von Stalin zusammengeschraubt scheinen. Doch wem die Luft zu dick wird, der fährt an den stadtnahen Yssykköl-See zum Sonnen und Baden oder wandert in den nahen Bergen.

»Diese Stadt ist die Perle Kasachstans«, sagt Timur Akhmetkaziyev, Geschäftsführer von Gebrüder Weiss in Almaty und freut sich über die Rolle seiner Heimatstadt. Viele von den Tausenden junger Kasachen, die der Staat mit billigen Stipendien zum Studium in die Welt schickt – nach Deutschland, die USA und Kanada, nach Japan, Russland und anderswo – haben nach ihrer Rückkehr in Almaty gute Jobs gefunden und prägen die liberale Atmosphäre, man feiert gern. Vom Wunsch, doch eher mit einer westlichen Welt verbunden zu sein, kündet auch die Werbung, die zur verkaufsträchtigen Identifikation ausschließlich europäische Gesichter und Familienmotive anbietet.

So global vieles daher kommt, so wichtig ist für das tägliche Leben der »Green Market«, der große Basar Almatys, wo es alles gibt – in der Fleischhalle werden Rind, Schaf, Pferd geboten, woanders Obst, Gemüse, Gewürze, Silberschmuck und allerlei Kunsthandwerk, Unterwäsche internationaler Marken, Spülmittel und Spielzeug, Kleider, Kittel, Töpfe, Tücher – hier kauft man auch den ersten Anzug für den Sohn. Der Basar ist nicht so verzaubert wie wir uns »1001 Nacht« vorstellen, aber er duftet nach der weiten Welt und ihren Verheißungen – und die ist hier auch vertreten: Russen sind eine starke Minderheit, neben der es noch andere Stämme und Völker gibt, Uiguren, Mongolen, Deutsche, Tartaren, Baschkiren, Inguschen und viele mehr. Die Moschee und die Russisch-orthodoxe Kirche, die Synagoge und das katholische Gotteshaus – die Religionen existieren schon lange nebeneinander.

Das Land forscht nach seinem kulturellen Erbe, sucht das mögliche Große Gemeinsame dieses erst 1991 gegründeten, erstmals unabhängigen Staates. Von dieser Suche nach Identität erzählt das Museum Kasteev, benannt nach Abilkhan Kasteev, dem von der vormaligen Sozialistischen Volksrepublik Kasachstan hochdekorierten Maler (1904-1973): Voller kunsthandwerklicher Artefakte wie Teppiche und Tücher, Silberschmuck und Lederarbeiten; voller älterer Gemälde, die von der Freiheit des Lebens in der Natur schwärmen, von Jurte, Steppe, Reiter, Himmel, Wind. Und vom Sieg der Vernunft in Gestalt der durch die Russen forcierten Industrialisierung: Die Bilder feiern die Russische Revolution, die Industrialisierung, die Kolchose und das Kollektiv. Da strahlt der kasachische Komsomolze dankbar über die Belehrungen seines Sowjetkommissars. Die vielen im Kasteev noch hängenden Bilder des »Sozialistischen Realismus« sind Zeugen einer Zeit, in der mit »Kommunismus ist Sowjetmacht plus Elektrifizierung« (Lenin) die Welt einfach und gnadenlos erklärt war. Was diese Bilder nicht zeigen: Die Bolschewiki brachten Eisenbahnen, Straßen, Industrie – aber sie erzwangen zwischen 1928 und 1933 auch die Kollektivierung der Landwirtschaft und die Sesshaftwerdung der Nomaden, unzählige wurden enteignet, deportiert, flüchteten, mindestens 1,3 Millionen Menschen verhungerten in jenen Jahren. Man spürt es noch heute: Nicht alle Kasachen trauen dem nördlichen Nachbarn.

Eine Kunst der Gegenwart ist im Kasteev kaum sichtbar. In diesem Haus der Kunstfertigkeiten und Symbole, Rituale und Traditionen, steht die Zeit ein wenig still – während die Zukunft draußen nicht nach gestern fragt.

Im Bus neben mir sitzt Darin und fragt schließlich auf Englisch, woher ich komme – der schmale 12-Jährige erzählt von seiner Schule, in die er so gern geht; sichtlich zufrieden ist der Vater mit dem Englisch und dem Mut des Kleinen; selbstverständlich fragt auch Darin »Do you like Kazakstan?« und erwartet lächelnd nur eine Antwort: Alle scheinen stolz auf das, was in den letzten Jahren gebaut und geschaffen wurde, was das Leben freier und leichter macht.

Alles gibt es im Basar
Im Basar pflegen die Alten die Traditionen, auf den Straßen die Jungen die Moderne

Die Neue
Auf der Fahrt vom Flughafen in die Innenstadt: erste Zeugen einer Stadt, die flott und bunt Geschichte und Moderne mischt: Astana.

Da liegen die Hallen für Eiskunstlauf und Radsport, die sich wie zwei glitzernde Gürteltiere an den Boden ducken, da ist der das werdende EXPO-Gelände dominierende kugelrunde kasachische Pavillon, die Nur-Astana-Moschee und schließlich die neue, klassizistische Oper und das »Triumph Astana«, benannt nach dem »Triumph Palace« in Moskau und genauso zuckerbäckerig wie sein Vorbild.

Astana ist Ergebnis von Entschluß und Entschlossenheit. Als sie 1997 zur Hauptstadt deklariert wurde, hatte sie kaum 300.000 Einwohner, das meiste von dem, was sie mittlerweile auszeichnet, gab es noch nicht. Heute sind es nahezu 900.000 Menschen, die Arbeit in einer Stadt gefunden haben, die von unzähligen solcher Neubauten zwischen post-stalinistischem Protz, westlicher Glasstahlkühle, überbordender Dekoration geschmückt ist – allemal abwechslungsreicher und heiterer als die Vierkantschießschartenbauten, die die aktuelle Westarchitektur prägt.

Astana ist eine grüne Stadt, es gibt viele Brunnen, Plätze, Parks; die Menschen flanieren über die von Bäumen gesäumten, mit Blumen geschmückten Boulevards, auf denen alle wenige Meter ein Eiswagen steht, hier ist jeder ein Gourmet des süßen Kalten.

Auf dem EXPO-Gelände wird auch sonntags gearbeitet, alles muss fertig sein und die Welt willkommen heißen, wenn im Sommer 2017 die Expo eröffnet wird. Kasachstan will sie nutzen, die Chance, die Welt zu Gast zu haben und selbst im Mittelpunkt zu stehen, internationale Investoren zu locken – fünf Millionen Besucher werden erwartet.

In weniger als fünf Jahren wird dann nach Plänen des Architekturbüros Smith+Gill aus Chicago ein beeindruckendes Gelände entstanden sein, das vollständig unter den Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit konzipiert ist. Thema der EXPO: »Energie der Zukunft: Maßnahmen für weltweite Nachhaltigkeit«, es geht um die ausreichende und gesicherte Versorgung mit Energie in Entwicklungsländern ebenso wie um den Übergang von fossilen zu erneuerbaren Energien.

Dass die EXPO an Kasachstans Astana vergeben wurde, zeigt, wie es der kasachischen Politik bislang gelungen ist, sich nicht zwischen die großen Stühle der Welt zu setzen, sondern Moderator, Partner, Nutznießer von Interessen und Möglichkeiten zu sein. Die Amerikaner heben Bodenschätze, die EU ist größter Handelspartner, mit Russland wird die Zusammenarbeit in der Eurasischen Wirtschaftsunion gepflegt, China kontrolliert inzwischen rund ein Drittel der Ressourcen Kasachstans und kauft sich in die Landwirtschaft des mit rund 2,7 Millionen Quadratkilometern neuntgrößten Landes der Erde ein.

So ist ein Lieblingsthema des seit Proklamation der unabhängigen Republik Kasachstan regierenden Präsidenten Nursultan Nasarbajew (vom Parlament ausgestattet mit dem Titel »Führer der Nation«): die Renaissance der Seidenstraße.

Der Gürtel, die Straße
Diese älteste Handelsroute, die schon in vorchristlichen Zeiten genutzt wurde, wird zu einem globalen Großprojekt unserer Zeit. Seide war eine sehr begehrte Ware. Seide dokumentierte Macht und Reichtum. Seramis, Kleopatra und andere Kaiserinnen gierten nach ihr, Cäsar ließ zu seinen Spielen als Zeichen seiner unumschränkten Möglichkeiten die Arena Roms mit ihr überspannen.

Aber es ging nicht nur um Seide und es war auch nicht nur eine Straße. Die Seidenstraße bzw. das Straßennetz, das so genannt wird, verband weite Teile der bekannten Welt, und sorgte bis ins 14. Jahrhundert hinein nicht nur für den Austausch von Keramik, Papier, Tee, Waren vielerlei Art, sondern auch von Kulturen und Wissenschaften, Erfindungen und Technologien, Krankheiten und Religionen zwischen Europa und Asien. Auf ihr reisten Händler, Prediger, Ideenstifter – auch der erste chinesische Zirkus war über sie zur Zeit Jesu in Rom angekommen.

Lang war die Reise und beschwerlich, es ging über Tausende Kilometer auf Pferden, Trampeltieren, Dromedaren oder zu Fuß durch Trockengebiete und Wüsten. Hat man erst das Tarimbecken mit der Taklamakan-Wüste erreicht, ist man umgeben von den höchsten Gebirgsketten der Erde: Im Norden ragt der Tianshan auf, im Westen der Pamir, im Südwesten der Karakorum und im Süden der Kunlun. Durch die Gebirge, die mit ihren tiefen Schluchten und 5.000 zu überwindenden Höhenmetern zu den schwersten der Welt gehören, führen nur wenige eisige Pässe. Und all diese abenteuerlichen Mühen wurden vollbracht in der ständigen Angst vor Überfällen, in Sorge um Ware und Leben.

Als Vasco da Gama 1497/98 den Seeweg nach Indien entdeckte, der das Risiko von Überfällen reduzierte und den Händlern die Zölle der Araber ersparte, verlor die Seidenstraße endgültig ihre Bedeutung – erst Sven Hedin und andere sollten ab Ende des 19. Jahrhunderts mit großen Expeditionen die alten Verbindungen erforschen.

Heute treibt die Volksrepublik China die Wiederbelebung eines Europa und Asien umspannenden Verbindungsnetzes in neuen Dimensionen voran. Chinas Präsident Xi Jinping sagte 2015: »Wir müssen gemeinsam eine regionale Ordnung schaffen, die besser zu Asien und zum Rest der Welt passt« und bekräftige damit Chinas Absicht, mehr Einfluss in der Welt zu gewinnen; die Wiederbelebung der Seidenstraße folgt einer ökonomischen Logik und den geopolitischen Interessen Chinas. Auch ergänzt sie die innerchinesische »Go-West-Strategie« (siehe Atlas 2), mit welcher der Westen des großen Reiches der Mitte wirtschaftlich entwickelt wird.

Für das Projekt »yi dai yi lu«, »Ein Gürtel, eine Straße«, wie die neue Seidenstraßen-Idee genannt wird, hat China inzwischen mehr als 40 Milliarden US-$ in den »Seidenstraßenfond« eingezahlt. Außerdem hat China die »Asiatsche Infrastruktur-Investmentbank« gegründet, an der sich fast 60 Staaten beteiligen, unter ihnen auch Österreich und Deutschland.

Geplant ist ein Strang durch Zentralasien und eine nördliche Strecke grob entlang der bestehenden Transsibirischen Eisenbahn und eine südliche, die Indien, Laos und Burma anbinden soll ­– diese neue Seidenstraße wird in einem unbekannten Maß Asien, Eurasien, den Mittleren Osten und Europa miteinander verbinden. Projektiert sind 140.000! Kilometer – das ist der dreieinhalbfache Erdumfang am Äquator.

Ein Geflecht aus Straße und Schiene mit neuen Knotenpunkten soll entstehen, deren wirtschaftliche Erfolge Regionen voranbringen können. Kashgar in China, Khorgos in Kasachstan, Gwadar in Pakistan gehören unter anderen dazu.

Und China, das im 14. Jahrhundert die größte Seemacht des Globus war, ergänzt diese Ideen und Vorhaben um eine »maritime Seidenstraße«, einem Netzwerk aus Seerouten, Häfen und Marinebasen.

Arm, reich, schön
Morgens um 7 steht Wladimir vor der Tür. Berufsfahrer, russischer Kasache, der so wenig Englisch spricht wie unsereins Russisch, eine wortkarge, gestenreiche Fahrt beginnt. Wir wollen ins rund 380 Kilometer entfernte Khorgos.

Auf dem Land blicken wir in das andere Gesicht Kasachstans: Unterentwicklung, Arbeitslosigkeit, Armut. Wir kommen durch Dörfer, deren einziger gepflasterter Weg die Durchgangsstraße ist, fahren vorbei an rumpelnden Eselskarren, an Kindern, Frauen und Alten, die im Schatten sitzen und verkaufen, was ihr Land hergibt, Melonen, Äpfel, Kartoffeln. Hier hocken die Alten, die nie etwas hatten, und die Jungen, die kaum etwas bekommen werden; groß ist die neugierige Skepsis in den Gesichtern: Was der Fremde wohl bringen mag? Das soziale und kulturelle Gefälle zwischen Stadt und Land ist immens – um diesen Graben zu schließen, sind 25 Jahre Unabhängigkeit und freie Wirtschaft einfach nicht genug.

Wir durchqueren Altyn Emel, einen von 16 Nationalparks, 4.600 Quadratkilometer groß = fünf Mal Berlin, 12 Mal Wien. Hier wohnen der Sibirische Steinbock, die Kopfgazelle und das Argali, hier wurde das Przewalksi-Wildpferd wieder angesiedelt und der Buchara-Hirsch; Schilder warnen vor wild kreuzenden Pferden. Und die kasachische Kuh liebt es, unvermittelt hinter Kurven zu stehen – nur Vollbremsungen retten uns vor Zusammenstößen. »Kasachstan!«, kommentiert Wladimir, wie er übrigens alles derart kommentiert, das ihm abwegig erscheint. Und das ist einiges.

Wenige Straßen führen durch die Weiten der Landschaft, in der Männer zu Pferde auf Schafe und Kühe achten, die Toten ihre Ruhe finden und Kinder mit Eselskarren Gemüse transportieren
Durch den Naturpark Altyn Emel – nach Khorgos, wo der Dry Port bereits arbeitet

In Altyn Emel – ein wundervoller Ausschnitt der ökologischen und geologischen Vielfalt dieses großen, fast menschenleeren Landes, das reich ist an Rohstoffen wie Erdöl und Erdgas, Gold, Mangan, Seltenen Erzen und vielen anderen – gibt es die Weißen und die Roten Berge, Steppen, Flusswälder. Eine dünne Aphaltstraße führt durch dieses Gebiet, in dem du kaum Menschen triffst, vielleicht alle Viertelstunde ein Auto oder einen überladenen Lkw, schiefe Nekropolen liegen an der Strecke, Hügel- und Bergformationen wechseln mit Steppen und diese mit unüberblickbaren Getreidefeldern. Der Sheepboy treibt seine Herde zu Pferd, die auf den Feldern zusammengerechten Strohhaufen scheinen schlafende Bisons, die Steppe riecht nach trockener Schokolade…

Steine, Hügel, Berge, ihre wechselnden Formationen und Ausdrücke – manche sind scharfkantig wie alte, markante Gesichter, andere gemütlich und pausbäckig, die Geröllhalden dort wirken wie die unrasierten Wangen uralter Riesen… wenn die Wolken sich an den Bergen abregnen und ihre weißen Wassernebel oben an die Felsen kleben, wenn die Sonne dann gegen Abend in ihr orange-rotes Opernkostüm schlüpft, und diese Landschaft neu in dramatisch-romantische Farben taucht, versteht man die Bilder im Kargeev-Museum, die von der großen Freiheit in dieser Natur erzählen.

Was für ein Land!, was für eine Landschaft. 4.000 Seen hat Kasachstan, rund 44% der Landesfläche sind Steppen und Wüsten, die ewig schneebedeckten Gipfelstürmer der Gebirge gehen hoch bis auf über 7.000 Meter… als hätte sich die Evolution mit diesem Land ein Muster für die Welt geschaffen – und es für beschenkt und schön genug befunden.

Neues Netz, neuer Knoten
Schließlich öffnet sich der Blick auf Khorgos, die neue Wirtschaftszone mit China im gemeinsamen Grenzgebiet. Fast 6.000 Hektar und damit in etwa so groß wie Salzburg, ist sie von beiden Ländern frei zugänglich, ausgestattet mit umfassenden steuerlichen Privilegien für die Unternehmen, die sich hier niederlassen und Arbeit schaffen.

Wir treffen Togzhan Mussirova und Daniyar Mussirov, Mitarbeiter in der Kommunikationsabteilung der JSC Management Company, jenem Unternehmen, das die »Khorgos Eastern Gates« betreut. Beide sind um die 30, in Almaty geboren und haben sich in – London getroffen und lieben gelernt. Inzwischen verheiratet, sind sie begeistert davon, dass sie dieses Projekt mit vorantreiben können, von dessen Sinn und Erfolg sie zutiefst überzeugt sind: Ein zentraler Transitpunkt im Netzwerk der neuen Seidenstraße entsteht hier, ein Wirtschaftsraum, der in wenigen Jahren 50.000 Jobs bieten wird, Jobs in Lagerhaltung, Endfertigung, Logistik, IT. »Khorgos Eastern Gates« wird die ganze Region pushen, es ist ein zentrales Infrastrukturprojekt für das Land.

Zufrieden zeigen Togzhan und Daniyar das Geschaffene: Der Dry Port arbeitet bereits. Hier werden Container von ihren aus China kommenden Zügen gehoben und direkt auf kasachische, europäische Züge umgeladen und umgekehrt: Notwendig aufgrund der unterschiedlichen Spurbreiten. Schon heute kann der Dry Port mehr als 500.000 TEU Container bewegen, perspektivisch werden es mehr als eine Million im Jahr sein; die Flächen für Warehousing und Fertigung sind ebenso fertig und können Unternehmen zur Nutzung übergeben werden wie das große Autobahnteilstück zwischen China, Khorgos und Almaty, das nur noch angeschlossen werden muss. Eine »Residential Area« für rund 110.000 Menschen ist in Planung.

»Wer das Pferd unnötig treibt, muß am Ende zu Fuß gehen«, sagt ein kasachisches Sprichwort. Doch will das Land sein wirtschaftliches Tempo fortsetzen, orientiert darauf, zu den Staaten der »1.Welt« aufzuschließen. Hierbei spielt yi dai yi lu eine große, vielversprechende Rolle.


Rainer Groothuis, geboren 1959 in Emden / Ostfriesland, ist Gesellschafter der Kommunikationsagentur Groothuis.

Die verschiedenen Spurbreiten der Bahnen machen das Umladen der Container nötig – die Containerbrücken in Khorgos
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